Der Sturm hat sich gelegt, wir können weiter.
Jede Stadt in Portugal hat eine Markthalle. In der von Peniche decken wir uns mit frischem Obst und Gemüse ein. Bei einer alten, sehr kleinen Frau ohne Zähne, die vorgibt Französisch und Englisch zu verstehen, kaufen wir Kartoffeln, Tomaten, Knoblauch, Birnen und Zuchetti, per Fingerzeig. Alles kostet je UM EURO. Sie zählt mit den Fingern bis Gabrielle ihr einen Kugelschreiber schenkt. Damit ihre Rechnung aufgeht, müssen wir noch mehr Kartoffeln und Knoblauch auf die Waage legen. Sie schreibt pro Posten zwei Euro auf. Bezahlen tun wir am Schluss acht Euro und erhalten einen grossen Bund Peterli dazu und als wir gehen nochmals einen Bund. Zum Glück ist Salazar schon lange tot und hoffentlich wird heute in Portugal mehr in die Schulbildung investiert.
Am Mittwoch, den 7. Oktober stechen wir in See, 641 Seemeilen bis Graciosa, liegen vor uns.
Zu Beginn haben wir wenig Wind, jedoch viel Wellen aus der falschen Richtung, Überbleibsel vom Sturm. Am Abend frischt der Wind auf und wir kommen gut voran. Allerdings ist es so kalt, dass wir im Faserpelz und Ölzeugs unsere Wachen halten, dafür geniessen wir herrliches Meeresleuchten. Unser Kielwasser leuchtet weiss. Am nächsten Tag dreht der Wind und flaut ab. Die untergehende Sonne strahlt am Horizont Wolkentürme an. Es sieht aus wie eine glühende Stadt. Das Barometer sinkt, der Wind dreht auf und kommt aus Südwest. Ein Tief besucht uns, obwohl es laut Prognose westlicher hätte bleiben sollen. Wir müssen selber steuern und segeln zurück nach Norden um Lagos anzulaufen. Nach einigen Stunden wird der Wind wieder schwächer. Wir holen einen Wetterfax per Kurzwelle rein und sehen, dass wir definitiv hinter der Kaltfront sind. Ergo ist Lagos keine gute Idee mehr, also linksumkehrt zurück auf Kurs Südwest. Wir haben eine kleine Schlaufe vor dem Cabo Sao Vicente gemacht mit einem super Etmal, leider in die falsche Richtung. Die nächsten Tage segeln wir gemütlich, lesen viel und duschen mit kühlem Meerwasser. Ein Vögelchen, ein Zilp-Zalp, landet erschöpft auf Maselle und bleibt 24 Stunden. Immer wieder schwimmen Atlantisch-Gefleckte Delfine mit uns. Zum Schluss müssen wir doch noch motoren, jedoch niedrigtourig und langsam. Wir wollen nämlich nicht in der Nacht ankommen.
Endlich, nach 8 Tagen, am Donnerstag den 15. Oktober um viertel vor acht, kurz nach Sonnenaufgang, ankern wir in der Playa de Francesa auf Graciosa. Wir haben 777 Seemeilen auf dem Log.
Ein Blick zum Himmel und wir ahnen Schlimmes. Das NAVTEX bestätigt es uns: Ein Sturmtief liegt über Madeira, starker Südwind ist im Anmarsch. Wir springen kurz ins Wasser. Graciosa mit seinen langen weissen Sandstränden ist leider nach Süden offen. Der nächste geschützte Ort ist Arrecife auf Lanzarote, 20 Seemeilen entfernt. Wir geniessen die nächsten 40 Seemeilen, da wir aufkreuzen müssen. Vor fünf Jahren haben wir in Arrecife geankert, jetzt ist hier eine riesengrosse Marina. Tja, wir müssen da rein und sind froh die nächsten stürmischen Tage sicher festzuliegen. Sicher? Neben uns ist ein Platz frei. Ein Yacht will hier einparkieren. Der starke, böige Wind treibt sie quer. Zum Glück steht Gabrielle am Heck parat und drückt das Schiff mit ungeahnten Kräften weg, sonst wäre uns wohl die Windsteueranlage abgerissen worden. Von überall her eilen helfende Hände herbei und schieben und zerren. Einzig Esther vom Schiff nebenan gibt den trockenen Rat: JUST PUT HIM IN THE BOX. Wird gemacht.
Ein paar Arbeiten sind fällig. Die Windsteueranlage muss neu gerichtet, die Wasserkanister stabiler fixiert, zwei kleine Luken und der Babystag mit Sikka abgedichtet werden.
Wir segeln weiter, der Ostküste von Fuerteventura entlang, ankern vor Gran Tarajal und bleiben hier bis zum nächsten Tag. In Morro Jable kommen wir wie vor fünf Jahren nachts an. Damals fanden wir problemlos Platz längs an einem Steg. Heute müssten wir mit Bug oder Heck quer zum Steg festmachen, doch fehlen an allen freien Plätzen die Mooringleinen. Wir drehen in der neuen Marina eine Stunde lang unsere Runden. Zum Glück fährt eine grosse Fähre in den Hafen, so ist alles hell beleuchtet und wir entdecken ein kleines Plätzchen für uns.
Wir brauchen ein neues Grosssegel, das alte fällt aus dem Leim. Wir haben nicht realisiert, dass wir ein Regattasegel haben. Dieses ist aus drei Schichten zusammengeleimt und hat eine beschränkte Lebensdauer. In Bordeaux sah das Segel noch gut aus, etwas dreckig halt. Die Belastungen der letzten Wochen waren sein Todesurteil. Jeder Tag ohne Riss ist ein Glückstag. Wir brauchen einen Segelmacher. Wir brauchen Internet. Las Palmas de Gran Canaria ist der ideale Ort dafür, obwohl der Ankerplatz überfüllt ist und die Kulisse scheusslich.
Dafür regnet es hier sehr viel und wir können unsere Kanister mit Regenwasser füllen. Wir umrunden Gran Canaria im Uhrzeigersinn, ankern zweimal und segeln nach Puerto de las Nieves. Unterwegs fangen wir einen Bonito, gerade gross genug für eine Nachtessen zu viert. Als Thomas im Hafen den Fisch filetiert, knallt es im Rigg. Erschrocken schauen wir uns um. Haben wir etwas touchiert? Wir sind doch festgemacht! Da sehen wir einen Sturmvogel mit gebrochenem Flügel auf Deck. Der arme Kerl,geblendet von den Lichtern der Fähre, ist so schnell in unser Rigg geflogen, dass sein linker Flügel nur noch an einem Faden hängt. Thomas erlöst ihn. Trotzdem verbringen wir einen gemütlichen Abend. mit Ruth und François von der Veruf II, mit denen wir hier abgemacht haben.
Sehr schnell gehen wir weiter nach Tenerife, so schnell kommen wir hier nicht mehr hin. Die Kulisse ist zwar sehr malerisch, mit steilen, hohen Klippen, doch der Schwell im Hafen strapaziert nicht nur unsere Festmacher, sondern auch unsere Nerven.
Jetzt sind wir in der ruhigen Marina San Miguel und warten auf Doro und Jule.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas