Maselle bleibt noch eine Weile in der Marina vom Club Nautico. Wir stocken unsere Vorräte an Reis, Teigwaren, Mehl, Kaffee, Tee, Milch, getrockneten Hülsenfrüchten, Büchsen und vielem mehr, auf. In Kolumbien bekommen wir alles günstig und in der Nähe, ausser guten Käse. Es ist sehr praktisch die Grosseinkäufe vom Steg aufs Schiff zu laden. Auch geniessen wir es unlimitiert Süsswasser zu haben und duschen mehrmals täglich unter einer richtigen Dusche, eine Wohltat bei Temperaturen von über 35° Celsius.
Auf dem Weg zum Supermarkt sehen wir immer wieder denselben Bettler. Er strahlt uns schon von weitem an, da er genau weiss, dass wir etwas springen lassen. Die Armut in Kolumbien ist augenfällig. Es gibt viele Bettler und viele Menschen, die im Abfall nach Büchsen, Papier, Glas- und PET-Flaschen, sowie Nahrung wühlen. Auffällig sind die vielen Behinderten mit Missbildungen an Armen und Händen.
Woher kommt diese Häufung?
Wir haben immer etwas Kleingeld parat.
In Europa läuft das Rugby sechs Nationen Turnier. Anne und Shane als richtige Iren dürfen das Spiel Irland-Frankreich natürlich nicht verpassen. Anne sucht und findet ein irisches Pub in Bocagrande, nicht gerade um die Ecke. Pünklich kurz vor 11Uhr stehen wir vor dem Pub, doch es ist geschlossen und öffnet erst um 14Uhr. Wir hetzen durch mehrere Strassen und finden schliesslich ein Café mit Fernseher und Sportkanal. Wir sind glücklich bis zum Schluss, denn Irland gewinnt.
Am Montag, 27. Februar nehmen wir mit Anne, Shane und dem Kanadier Jean-Pierre den Bus nach Barranquilla und bleiben zwei Tage. Hier findet Karneval statt und er soll der schönste und prächtigste von Kolumbien sein. Um den Umzug zu sehen bezahlen wir Eintritt und passieren eine Sicherheitskontrolle. Dafür bekommen wir einen Sitzplatz auf einer Tribüne. Alles läuft gesittet und geordnet ab. Die Zuschauer bleiben alle brav hinter der Abschrankung. Der Umzug ist ein farbenfrohes Défilée von Trachtengruppen und Tanzschulen. Alle lachen, tanzen, schwingen die Hüften, begleitet von lauter Musik. Abends ist es in den Strassen ruhig, einzig auf einem Platz gibt es ein Konzert.
Am nächsten Tag, Mardi Gras, findet die Abschlussparade ganz in der Nähe unseres Hotels statt. Wir bezahlen wieder Eintritt und sitzen auf Klappstühlen am Strassenrand. Die Stimmung ist ausgelassener als am Vortag. Die Zuschauer schütten einander Maizena über die Köpfe und sprayen wild mit Schaum aus der Dose um sich. Ab und zu tanzen auch die Zuschauer mit oder machen ein Selfie mit einer hübschen Frau aus dem Umzug. Mit viel Freude und ohne Unterlass tanzen die Gruppen an uns vorbei. Am Abend wollen wir an den Abschlussball. Doch die Musik ist so laut und eintönig, dass wir es vorziehen am Strassenrand auf einem Mäuerchen zu sitzen und ein Bier zu trinken, bevor wir ins Hotel zurückgehen.
Wieder in Cartagena verlassen wir den Hafen und ankern. Wir wussten, dass das Wasser in der Bucht sehr dreckig ist. Dass der Rumpf von Maselle nach fünf Wochen wie derjenige eines Wracks aussieht, haben wir jedoch nicht erwartet. Das Unterwasser ist mit einer dicken Schicht Seepocken, Würmern und Algen überwuchert. Die bekommen wir nur noch mit einem Metallspachtel weg. Um keine Ohrenentzündung aufzulesen, beschmieren wir unsere Hörgänge mit Niveacreme, dann stopfen wir ein in Nivea getunkten Wattebausch in jedes Ohr, darüber ziehen wir die Neoprentauchmütze an. Das Reinigungsprozedere dauert acht Stunden, verteilt auf drei Tage.
Nun sind wir bereit für die Überfahrt zu den Bahamas. Leider hat der Wind dies noch nicht mitbekommen. Seit Wochen bläst er mit 6 Beaufort aus Nordnordost, genau daher, wo wir hin wollen.
In der Zwischenzeit trinken wir Jean-Pierre den Ricard und den alten Rum weg und leeren seinen Vorrat an geräucherten Austern. Anne und Shane helfen kräftig mit.
Gabrielle nötigt Thomas zu einer privaten Salsastunde. Erstaunlicherweise gefällt es ihm sehr gut und wir buchen eine zweite.
Eines nachts, gegen ein Uhr, werden wir von lautem Schreien und lauten Rufen geweckt. Wir gehen raus und sehen, wie das Dinghi unseres Nachbarn von einem kleinen Motorboot weggeschleppt wird. Wir sind zu perplex um zu reagieren, ausserdem ist der Dieb im Nu verschwunden. Anscheinend ist es nicht das erste Mal, dass ein Dinghi gestohlen wird. Die Armada Nacional (Marine) empfiehlt in solchen Fällen, das erfahren wir später, mit Leuchtraketen auf den Dieb zu schiessen. Na ja. Viele Yachties motorisieren ihre Beiboote mit 10 bis 15 PS Aussenborder. Ein kolumbianischer Fischer müsste dafür mindestens sechs Monatslöhne hinlegen. Obwohl wir eigentlich nichts zu befürchten haben, nehmen wir unsere Anna (2PS) jeden Abend an Deck und sichern Maxime mit einem Drahtseil.
Endlich zeigen die Windprognosen für die nächsten paar Tage etwas schwächere und etwas östlichere Winde an. Wir verabschieden uns von Anne und Shane bei Rugby (Wales-Irland) und Bier. Leider verliert Irland diesmal.
Am Samstagmorgen, 11. März, lichten wir den Anker noch vor Sonnenaufgang und motoren bei Flaute durch die Kleinbootpassage bei Bocagrande in den Norden. Diese Abkürzung erspart uns 20 Seemeilen.
Bis Mittwochmorgen segeln wir auf Backbordbug hart am Wind im zweiten Reff. Die Wellen sind hoch und wir nehmen viel Wasser auf. Wir findens nicht so lustig, doch der ganze Grossstadtdreck von Cartagena wird vom Deck gespült. Leider ist die Luke in der Bugkoje nicht dicht. Wir schlafen auf der Salonbank, dem tiefsten und ruhigsten Platz im Schiff.
Dann stellt der Wind ab und wir motoren. Wir wissen, dass es uns ab Donnerstag viel Wind in der Windward Passage zwischen Kuba und Haiti auf die Nase blasen wird. Das Timing passt perfekt, wir sind nämlich im Süden der Passage und wollen die 80 Seemeilen in den Norden der Passage durchmotoren um so den Starkwind zu vermeiden. Doch mit Schrecken sehen wir, dass unser YANMAR weiss qualmt. Wir stellen den Motor ab und als wir den Ölmessstab rausziehen, quillt grauer Schlamm aus der Öffnung: Wasser in der Ölwanne. Tja, da ist uns wohl ein Fehler unterlaufen, als wir die Dichtungsringe der Wasserpumpe ersetzt haben. Den Motor können wir für eine Weile vergessen. In der Flaute bauen wir die Wasserpumpe aus und wieder ein. Wir lassen uns treiben, zum Glück ist die Küste Haitis nicht allzu nah. In der folgenden Nacht ist der Wind plötzlich zurück und sofort sehr stark mit kräftigem Regen. Wir kreuzen im dritten Reff, zeitweise sogar ohne Vorsegel, zwischen Kuba und Haiti nach Norden. Zum Verlassen der Windward Passage müssen wir ein Schifffahrtstrenngebiet diagonal durchqueren, bei Regen und schlechter Sicht. Wir stellen Radar und AIS an. Zum Glück sehen wir nur wenige Schiffe in gebührendem Abstand. Die ganze Zeit werden wir im Cockpit nassgespritzt, einige Wellen finden sogar den Weg den Niedergang runter.
Am Sonntag herrschen endlich wieder angenehmere Windstärken und wir segeln schon fast gemütlich an Castle Island und Crooked Island vorbei. Bei Long Island hören wir ein komisches Geräusch und unsere Windsteueranlage steuert plötzlich nicht mehr. Als wir nachschauen, fehlt das Ruder, es ist einfach weg. Dann kommt der Wind aus Nordwest, jetzt wo wir nicht mehr nach Norden sondern nach Nordwesten segeln möchten und wir kreuzen wieder.
Am Montag Nachmittag, 20. März, nach 1073 Seemeilen, ankern wir im Süden von Rum Cay unter Segel in türkisgrünem Wasser. Wir kennen die Küste vom letzten Jahr, sie ist im Südwesten frei von Riffen. Endlich können wir mehr als zweieinhalb Stunden am Stück und ohne Geschaukel schlafen.
Wir dichten die Bugkojenluke und eine Wantenfixierung, die undicht war, neu ab. Wir pumpen den ganzen Ölschlamm aus dem Motor ab und spülen ihn mehrmals mit Diesel. Wir wollen den Motor noch nicht laufen lassen, bevor wir nicht sicher sind, diesmal die Wasserpumpe richtig montiert zu haben. Wie immer nach Überfahrten wird geputzt, geputzt und nochmals geputzt.
Mittwoch abends um zehn ziehen wir weiter nach Great Exuma. Am nächsten Morgen segeln wir mit achterlichen Winden und der Sonne im Rücken zwischen den Riffen der Osteinfahrt durch nach George Town. Wir bauen unser Dinghi Maxime auf und tuckern an Land zum Einklarieren. Zwei Zollbeamte wollen für einen Check auf die Maselle kommen. Da der Zoll kein eigenes Schiff hat, müssten wir sie im Beiboot mitnehmen. Unmöglich! Die zwei sind so gross wie Thomas und je doppelt so breit. Die hätten unsere Maxime gleich versenkt. Wir nehmen ein Wassertaxi.
Dank Internet erfahren wir, dass die Wasserpumpe jetzt richtig montiert ist. Wir wechseln das Motorenöl. Nach einigen Versuchen, gutem Zureden und sanftem Klöpferlen springt Yanni an. Wir lassen ihn kurz laufen und machen nochmals einen Ölwechsel. Wir lassen ihn wieder laufen und wechseln das Öl erneut. Nun läuft er wieder rund.
Wir sind keinen Tag zu früh angekommen. Eine tropische Störung zieht vorbei. Hinter Stocking Island liegen wir geschützt, doch Maselle ruckt und zieht am Anker. Am Donnerstag fahren wir noch mit dem Dinghi nach George Town um einzukaufen und Wasser am Steg zu holen. Auf dem Heimweg werden wir pflotschnass. Die nächsten drei Tage bleiben wir an Bord, es windet einfach zu stark. Die anderen Yachties tun dies ebenso. Das ist kein Problem für uns, die To-Do-Liste wird abgearbeitet.
Wie wir so an der Windsteueranlage arbeiten, schwimmen vier Delfine (grosse Tümmler) um Maselle. Schnell ziehen wir Maske, Schnorchel und Flossen an und springen ins Wasser. Leider ist die Unterwasserkamera noch nicht einsatzbereit. Wir schwimmen eine ganze Weile mit ihnen.Wir haben das Gefühl, dass sie mit uns spielen. Sie schwimmen auf uns zu und drehen kurz vor uns ab. Wenn wir abtauchen und neben ihnen schwimmen, so drehen sie sich um ihre eigene Achse. Machen wir Kapriolen, zum Beispiel Kopfstand im Sand, so schauen sie interessiert zu.
Tagsdarauf wollen wir für die Strecke bis Nassau Gemüse und Obst einkaufen. Das Versorgungsschiff hätte heute ankommen sollen, doch die Regale im Supermarket sind genau so leer wie am Vortag. Wir ergattern die letzten fünf Birnen, den letzten Sack Kartoffeln und einen kleinen Kohl. Tomaten gibts beim Händler am Strassenrand. Uns stresst das nicht, denn unsere Büchsen und Hülsenfrüchte von Cartagena sind noch lange nicht aufgebraucht.
Am Nachmittag warten wir mit geladener Kamera auf die Delfine. Wir denken schon, das wird wohl nichts mit dem Delfinfoto für den Blog, da springen die Kanadier vom Schiff vor uns ins Wasser, wir hinterher. Diesmal ist es nur ein Delfin und er will lange mit uns spielen. Er umkreist uns, schwimmt von uns weg, kommt zurück, lässt uns ganz nahe kommen und gewinnt wieder Abstand mit einem Flossenschlag. Als wir kalt bekommen und zu Maselle zurück schwimmen, folgt er uns. Also, nochmals eine Runde spielen. Wir machen gerne mit, bis die Sonne untergeht und wir schlotternd unseren Spielkameraden verlassen.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas