Der letzte Satz im letzten Blog stimmt so nicht.
Wir sind gerade am Aufankern im Herb River bei Savannah, da kommt Nick mit seinem Motorboot längsseits und fragt, ob wir Probleme hätten. Wir seien doch schon drei Nächte hier, zudem habe sich noch kein Segelschiff so weit den Fluss hoch gewagt. Er lädt uns zum Silvester-Austernessen bei seinem Nachbar ein. Wir machen Maselle nochmals am Steg der Dutch Island Community fest, von wo uns Nick mit dem Auto abholt. Die Party ist schon recht im Gange, doch wir bekommen davon nicht viel mit. Nick führt uns direkt in den Garten an den Austerntisch. Der Hausherr Matt kippt immer wieder einen Kübel gedämpfter Austern auf den Tisch. Wir vier unterhalten uns prächtig, öffnen eine Auster nach der anderen, essen köstlich und der Rotwein wird auch immer nachgeschenkt. Um elf Uhr bringt uns Nick, der eigentlich nur bis zehn bleiben wollte, zurück zum Schiff. Wir zwei stossen um Mitternacht aufs neue Jahr an und geniessen die Feuerwerke in der Umgebung.
Im Intracoastal Waterway in Georgia hat es viele Delfine, aber auch viele untiefe Abschnitte. In den nächsten Tagen haben wir um die Mittagszeit Ebbe. Wäre Flut um den Mittag, würden uns die zwei Meter Gezeitenunterschied helfen, aber so bleibt uns tagsüber keinen Spielraum, denn nachts wollen wir da nicht durch. Über den Wassaw Sound gelangen wir auf den Atlantik und abends durch den Sapelo Sound zu einem geschützten Ankerplatz. Tags darauf sind wir nochmals auf dem Ozean und ankern dann im Jekyll Creek südlich von Brunswick. Am nächsten Morgen früh, noch vor Sonnenaufgang, wagen wir uns auf den vier Seemeilen langen Jekyll Creek Kanal, denn um 06h45 ist Flut. Unser Echolot zeigt öfters nicht mehr als drei Meter an, d.h. wir haben noch einen Meter zehn unter dem Kiel, wie gesagt bei Flut. Schnell verlassen wir den ICW bei der nächsten Gelegenheit, über den St. Andrew Sound gelangen wir wieder aufs offene Meer. Abends ankern wir im Bells River bei Fernandina Beach. Wir bleiben einen Tag, schlechtes Wetter zwingt uns dazu. Immerhin sind wir nun in Florida. Wir wären gerne von Savannah direkt auf die Bahamas gesegelt, doch das Wetterfenster stimmt nie. Entweder hat es keinen oder wenig Wind oder zu viel Wind auf die Nase oder der Wind weht nicht lange genug aus der richtigen Richtung.
Auch zum Cape Canaveral segeln wir aussenrum.
Leider startet gerade keine Rakete, dieses Spektakel hätten wir gerne mitverfolgt. Es wird schon dunkel, als die Hebebrücke 401 für uns öffnet und wir in die Schleuse zum Canaveral Barge Kanal motoren. Über Funk und per Megaphon werden wir und ein Motorboot aufgefordert Rettungswesten zu tragen. Der Schleusenwärter leuchtet uns mit einer starken Lampe an, um zu kontrollieren, ob wir seine Anweisungen befolgen. Jetzt sind wir also im Dunkeln unterwegs, so wie wir es eigentlich nicht wollen. Eine untiefe Passage durch Sumpfgebiet ist zwar betonnt, jedoch leuchten die Tonnen nicht. Um die Öffnungszeit der Christa Mc Auliffe Brücke nicht zu verpassen, geben wir auf der letzten Meile vor dieser Brücke Vollgas, und das nachts in der Manatee (Seekuh) Idle Speed Zone. Die Ausfahrt aus dem Barge Kanal in den Indian River wird zur letzten Nervenprobe für heute. Das Echolot zeigt zwei Meter an. Nun sind wir wieder auf dem ICW und werfen bei der erstbesten Gelegenheit den Anker.
Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung bis zu Stephanie und Drew. Sie haben zur Zeit in der Cocoa Village Marina festgemacht. Wir ankern davor und rudern mit Jack zu ihrer LA VITA. Sie laden uns ein und wir dürfen die Duschen und Waschmaschinen der Marina benutzen. Wasser bunkern wir natürlich auch. Hierhin schickt uns Christine ein Expresspaket von New York mit Schweizerschoggi und Schweizerkäse, wir teilen, Stephanie und Drew sind beeindruckt.
Unser nächstes Ziel ist Fort Pierce, weil es da einen grossen Schiffsausrüster, die Marine Liquidators, gibt. Nach zwei Tagen unter Motot bei Flaute auf dem ICW sind wir da. Wiederum sehen wir viele Delfine und weichen einmal einem Manatee aus. Das Wasser ist immer tief genug, die Landschaft eher langweilig.
In Great Bridge haben wir einen neuen Anker samt Kette gekauft. Seitdem läuft die Kette nicht sauber in der Nuss der Ankerwinsch. Damit sie nicht durchrutscht, muss Gabrielle beim Aufankern auf der Kette gehen und sie richtig in die Nuss drücken, ein unhaltbarer Zustand. 8 mm sind halt doch nicht genau 3/16 Inch. Wir kaufen eine neue Ankerwinsch, denn in den USA finden wir keine Ersatznuss für unser altes französisches Modell. Natürlich brauchen wie auch ein neues Relais dafür. Nach einem Tag Montage, verkabeln und ein paar Telefonaten funktioniert die Sache nicht. Es ist Freitag 16 Uhr, keine Chance das Relais noch vor Ladenschluss bei Marine Liquidators umzutauschen. Noch ein letztes Telefon, wir rudern an Land und der Verkäufer bringt uns ein neues Relais mit dem Auto vorbei. Jetzt klappts.
Am Montag, 14. Januar 2019 schaffen wir endlich den Absprung aus den USA.
Wir tanken ein letztes Mal günstigen Diesel, verlassen Fort Pierce und werden schnell vom Golfstrom erfasst. Mit Maselle segeln wir drei Seemeilen ostwärts und werden dabei eine Seemeile nach Norden versetzt. Nach 36 Stunden ankern wir in den Abacos, bei Allans Cay. Wir wissen nicht genau wo einklarieren. In Spanish Cay bezahlt man 50$ Inselgebühr, in Marsh Harbour muss man mit dem Taxi zum Flughafen, in Green Turtle Cay ist die Immigration nicht immer da. Während wir überlegen, schreibt uns Mike eine Email. Wir sollen seinen guten Freund Steve in der Treasure Cay Marina besuchen. Durch den gefürchigen und gefürchteten Whale Cay Cut, er ist eng und nur bei gutem Wetter passierbar, erreichen wir Treasure Cay. Steve lädt uns spontan ein. Er kocht für uns Risotto, grilliert Poulet und Zuchetti. Wir verbringen einen lustigen Abend auf seinem 63 Fuss türkisfarbenen Aluschiff. Am nächsten Tag klarieren wir problemlos in der Bar der Marina ein. Die Formulare füllen wir auf der Theke aus, die Zöllnerin summt beim Abstempeln unserer Pässe zu einem Lied von Whitney Houston, das im Hintergrund läuft. Ihre Fahrt vom Flughafen zu uns verrechnet sie nicht.
Die Fish Cays halten nicht was sie versprechen.
Zwar hat es Fische, doch Thomas harpuniert eine Languste. Abends stossen Helen und David mit GRACE zu uns, die Languste reicht für vier. Am nächsten Tag gehen wir gemeinsam und erfolgreich auf die Jagd. Wir merken aber, dass unser wackeliger Jack bei Wellengang Wasser schöpft, zudem müssen wir noch an unserer Ein- und Ausstiegstechnik arbeiten. Deshalb stabilisieren wir unser Dinghy mit Fendern.
Unsere Wege trennen sich schon wieder. Das Wetter wird schlechter, eine Kaltfront ist im Anzug. GRACE hängt sich im sicheren East Harbour im Man-O-War Cay an eine Boje. Wir suchen Schutz beim Old House Point in der Nähe von Marsh Harbour. Die Front zieht vorbei, der Wind dreht von SW auf NW und wir verholen uns im Regen zum Sugar Loaf Cay, wo wir auch die nächste Nacht ruhig liegen. Bevor wir ins Bett gehen, sehen wir den angeknabberten Mond, stellen den Wecker und verschlafen die totale Mondfinsternis.
Frühmorgens machen wir uns am 21. Januar auf den Weg nach Eleuthera.
Aus den geplanten 70 Seemeilen werden knappe hundert. Der vorgesehene Ankerplatz bei Egg Island ist zu stark den Atlantikwellen ausgesetzt. Wir kreuzen durch den Egg Island Cut über flaches Wasser bis zum Meeks Patch. Zum Glück kennen wir dieses Gebiet von einer Delivery her und zum Glück fand die Mondfinsternis letzte Nacht statt. Bei hellstem Vollmond ankern wir nach Mitternacht.
Starker Ostwind lässt uns einen Tag lang nicht weiterziehen. Wir nutzen die Zeit, erledigen schon lange Aufgeschobenes am und im Schiff. Am Morgen sehen wir, dass auch Eleuthera seine Schweincheninsel hat, Meeks Patch in unserem Luv. Wir entsorgen unsere Küchenabfälle, die Schweinchen freuts.
Der Current Cut verdient seinen Namen.
Wir warten die richtige Zeit ab und werden problemlos hindurchgespült. Nach einem schönen Segeltag ankern wir im Hatchet Bay Harbour. Diese Bucht ist vor jeder Windrichtung geschützt und nur durch eine schmale in die Felswand gehauene Einfahrt erreichbar, ein kleiner Haven, wie es die Englischsprechenden nennen.
Hatchet Bay ist auch für uns auch ein kleiner Himmel.
Wir finden eine Wäscherei, einen für Bahamas Verhältnisse guten und günstigen Lebensmittelladen (eine Kartoffel kostet 54ct) und Trinkwasser aus dem Wasserhahn im Dorf. Endlich brauchen wir unsere Schlafsäcke nicht mehr, wir waschen und stauen sie weg. Das Meer jedoch ist immer noch kühl, wir schnorcheln im langen Neoprenanzügen und Haube. Wir sehen viele Quallen kopfüber im Seegras liegen. Ihre Tentakel sehen aus wie Federkohl. Wir dürfen sie nicht zu lange betrachten, sonst hypnotisieren uns ihre pulsierenden Bewegungen.
An Land machen wir Autostopp zu einer zwei Kilometer entfernten Tropfsteinhöhle. Mit unseren Stirnlampen wagen wir uns etwa dreihundert Meter ins Erdinnere. Wir sehen keine Fledermäuse. Leider haben viele Besucher die Wände vollgekritzelt, die älteste Notiz ist mit 1871 datiert. (Kein Wunder ist es mit unserer Jugend so weit gekommen, wenn sie schon damals anfingen.)
Per Mail haben wir von Thomas Schwester Stephanie ein Formular erhalten, welches wir ausgefüllt und unterschrieben per Post zurück schicken müssen. Die Poststelle hat kein Internet, nur ein altes Faxgerät, das zur Zeit nicht funktioniert. Die Polizei schickt uns weiter zu Miss Cambridge vom Büro für Agrokultur. Sie nimmt uns mit in die Schulbibliothek, fährt den ersten Computer hoch, geht nicht, den zweiten, geht nicht, der dritte und vierte geht auch nicht. Mehr Computer hat es hier nicht. Im Büro einer Kollegin können wir schliesslich unsere Papiere ausdrucken. Zurück auf der Post dauert es eine Weile, bis der Tarif für unser Brief feststeht. Er wird mit dem nächsten Postschiff weggehen, also in drei Tagen.
Eine weitere Kaltfront zieht vorbei. Der stärkste Wind kommt erst am Morgen. Wir können geschützt unter der Sprayhood mit der Kaffeetasse in der Hand zusehen, wie andere Schiffe driften und im strömenden Regen umankern müssen. Der farbige Motor-Katamaran Eigenbau DANCING SEAHORSE hat keine Ankerwinsch. Mühsam zieht Ed die Ankerleine hoch, während seine Frau Lisbeth das Schiff in den Wind steuert. Wie sich das Wetter beruhigt hat, gehen wir vorbei und bieten ihnen unsere alte Ankerwinsch an. Gerne nehmen sie diese entgegen. Das alte Relais bekommen sie für ein paar Dollar dazu. Wir sind froh, die alte Winsch bei jemandem zu wissen, der sie gebrauchen kann.
Der Zwischenstopp in Governors Harbour rentiert sich nicht. Die Kartoffel für 94ct kaufen wir nicht, den Blumenkohl für 9 Dollar geben wir zurück und die vier Gala-Äpfel für zwei Dollar das Stück erweisen sich später als mehlig und innen schon braun. Zwei grosse Barrakudas, welche wir unterwegs fangen, werfen wir wegen der Ciguatera Gefahr zurück ins Wasser.
Little San Salvador zwischen Eleuthera und Cat Island gehört einer Kreuzfahrtschiff-Gesellschaft.
Jeden Tag ankern in der Halfmoon Bay ein bis vier Kreuzfahrtschiffe. Tagsüber ist dann toll was los am Strand, abends legen die Schiffe ab zur nächsten Destination und wir sind wieder alleine. Zwei Nächte bleiben wir, wiederum wetterbedingt. Wir werden aber mit einem guten Schnorchelplatz, einem Wrack mit vielen Fischen im klaren Wasser, und einem frühmorgendlichen, einsamen Strandspaziergang entschädigt.
48 Seemeilen am Wind im zweiten Reff muss auch wieder mal sein.
Wellen und Gischt salzen uns und Maselle. Ein Brecher schafft es übers Deck bis zum Niedergang. Zum Glück sitzt Gabrielle da und fängt das meiste Wasser ab. Alle Luken sind dicht, auch gut zu wissen. Es ist Freitag Abend, der 1. Februar, als wir in der New Bight, Cat Island ankern. Wir würden gerne wieder mal in den Ausgang. Doch es stürmt und regnet. Das ist gut um Regenwasser zu sammeln, mit dem wir uns und unsere Kleider waschen, doch an Land gehen wir nicht. Wir kochen Couscous mit grünen Büchsenbohnen.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas