Fort Lauderdale erinnert an Venedig. Die Stadt ist von Wasser umgeben. Luxusvillen stehen an den Kanälen mit protzigenYachten an den Stegen davor. Zu unserem Erstaunen gibt es noch ein paar Ankermöglichkeiten. Wir ankern nördlich der Las Olas Bascule Bridge. Viviane, Gabrielles Schwester, kommt an Bord.
Wir überqueren den Golfstrom und segeln im Nordwesten der Insel Grand Bahama beim Memory Rock in die Bahama Bank. Es ist schon spät und dunkel, es beginnt zu regnen und ein Gewitter zieht auch noch auf. Uns reichts, wir lassen den Anker, da wo wir sind, auf fünf Meter Wassertiefe fallen, essen und gehen schlafen. Sowas geht nur auf den Banks in den Bahamas.
Am nächsten Tag beginnen Vivianes Ferien: Segeln über Türkiswasser, Spaziergänge am weissen Sandstrand, Schnorcheln, Jagen und Sammeln. Auf dem Speiseplan stehen täglich Fisch, Fechterschnecke (Conch) und Languste. Fangen wir mal selber nichts, treffen wir Anne und Shane, welche Teile einer riesigen, selbstgefangenen Goldmakrele zu uns auf den Grill bringen.
Das Blue Hole bei Little Harbour im Süden von Great Abaco ist grün.
Mit dem Dinghy suchen wir uns einen Weg über untiefe Stellen zwischen Inseln in den Mangroven zu dieser versunkenen Einsturzdoline. Sie ist mit einem tiefen Höhlensystem mit dem Atlantik verbunden und daher den Gezeiten unterworfen. Man darf das Blue Hole nur bei steigendem Wasser betauchen. 1994 sind drei Taucher ertrunken, weil sie von der Ebbe runtergezogen wurden. Wir tauchen so tief es geht, sehen aber kein Ende. Dafür sehen wir Rochen, Schildkröten, viele Fische und einen Zitronenhai. Faszinierend, wie die Sonnenstrahlen im dunklen Grün verschwinden.
Eine Nacht in Schräglage
In der Nacht vom Montag auf den Dienstag (13.5/14.5) erleben wir ein seglerisches worst case szenario mit glimpflichem Ausgang.
Wir ankern beim Mermaid Reef in der Nähe von Marsh Harbour. Wir essen im Cockpit und geniessen den lauen Abend. Ein schwaches Windchen bläst aus Südwest, in der Ferne sehen wir Wetterleuchten.
Wir spüren einige Regentropfen und hoffen, obwohl das Gewitter so weit von uns entfernt ist, dass wir weder Blitze sehen, noch Donner hören, etwas Regenwasser sammeln zu können. Wir versuchen eine Blache aufzuspannen und geben dies gleich wieder auf, da uns starke Böen das Teil fast aus den Händen reissen. Der Wind erreicht Sturmstärke und wird auflandig. Sofort starten wir den Motor und wollen den Anker hochholen. Doch die Ankerwinsch blockiert. Obwohl wir Vollgas geben, driften wir. Schon berühren wir das erste Mal den Grund, dann ein zweites Mal, wir holpern weiter, Maselle legt sich auf die Seite, es rumpelt und schüttelt und wir bleiben etwa 20 Meter quer vor dem Ufer liegen.
Der Wind ist so schnell wieder weg, wie er gekommen ist. Kein Häuchlein weht mehr, das Meer ist glatt, der Mond scheint.
Das Ganze hat wenige Minuten gedauert, aber ein seglerischer Albtraum wird wahr, wir sind gestrandet. Neben uns liegt ein Katamaran auf den Steinen, wir haben Glück, unter uns ist Sand.
Es ist Ebbe,. Wir liegen so schräg, dass das Wasser 10cm über den Süllrand backbords kommt.
Was tun? Wir setzen ein Pan Pan ab. Keine Reaktion.
Bestandesaufnahme: Niemand ist verletzt, kein Wasser dringt ins Schiff (Gabrielle hat schnell die Ventile der Spüle geschlossen), das Rigg ist unbeschädigt.
Wir packen unsere Ausweise, Wertsachen und elektronische Geräte in wasserdichte Säcke.
Wir bringen einen Zweitanker mit dem Dinghy aus.
Wir versuchen weiter Funkkontakt herzustellen. Endlich meldet sich ein Segler, geankert in Marsh Harbour. Er fragt, ob wir und das Boot ok seien. Er könne aber leider nicht helfen, da er nur ein Segelschiff habe.
Wir sind auf uns alleine gestellt, Hilfe ist nicht in Sicht. Es gelingt uns mit der Genuawinsch, die Ankerwinsch ist ausgerissen, den Bug zum Meer zu drehen.
Wir füllen das Dinghy mit Wasser, heben es mit dem Spifall hoch, damit die Auflagefläche des Kiels verringert wird. Es gelingt uns nicht, trotz steigender Tide, Masellle auch nur einen weiteren Zentimeter zu bewegen. Zwischendurch funken wir.
Nach Mitternacht kommt der Kat frei. Wir funken ihn an und bitten ihn, uns zu helfen oder es zumindest zu versuchen. Er antwortet, dass er ein Leck habe und sich zuerst darum kümmern müsse. Wir sehen, wie er ankert. Nach einer Weile gehen seine Lichter aus.
Um viertel vor vier in der Früh, kurz vor Flut, nach sechs Stunden abmühen, meldet sich Truman auf unseren wiederholten Hilferuf. 35 Minuten später ist er mit seinem 38 Fuss Sportfischerboot Lucky Strike 2 bei uns. Zwei starke Dieselmotoren ziehen uns sanft zurück ins tiefe Wasser. Die Bergung kostet uns 400$, die wir gerne bezahlen.
Wir hatten Glück, wir sind auf Sand und nicht auf Felsen gelandet, die Nacht war warm und windlos. Maselles tiefgehender Kiel verhinderte, dass wir noch weiter ans Ufer geschoben wurden. Deshalb berührte der Rumpf nur kurz den Grund. Eine kleine Schürfung auf Höhe der Wasserlinie ist leicht zu reparieren. Der Kiel ist auf den untersten 20cm backbordseits bis aufs Eisen abgeschmiergelt. Da wir den Kiel sowieso sanieren wollten, machen wir das nun diesen Herbst und nicht erst in zwei Jahren. Ausser einer Yogamatte ging nichts verloren. Nichts ging zu Bruch, wir kommen mit dem Schrecken davon.
Was uns jedoch viel mehr erschreckt, ist die ausgeblieben Hilfe der anderen Cruisers.
An unserem Ankerplatz lagen zwei Motorboote, etwa 45 Fuss lang. Einer hat uns anderthalb Stunden mit seinen zwei starken Suchscheinwerfern angestrahlt, dann wurde es ihm wohl zu langweilig und er löschte die Lichter.
Am nächsten Morgen kommt der andere Motorbootfahrer mit seinem Beiboot vorbei und fragt, ob alles in Ordnung sei.
Viviane antwortet ihm, ja schon. Sie fragt ihn, ob er unsere Hilferufe nicht gehört habe. Darauf folgt Schweigen. Er habe uns wohl gehört, sagt er dann, aber uns sei doch geholfen worden. Sicher doch, nach über sechs Stunden. Wir zwei bleiben drinnen, wollen diesen Idioten nicht sehen.
In Umkreis von 15 Seemeilen hat es sicher 100 bis 200 amerikanische Schiffe. Jeden Morgen um acht wird übers Cruisers Net geplaudert, wo man die besten Conch Fritters isst und an welchem Strand Yoga unterrichtet wird. Wenn aber Not am Mann ist, meldet sich keine Sau. Wir wissen, dass viele Amis das Funkerät im Dauerbetrieb haben und bekommen zwischendurch einen Funkspruch mit, "there is a boat in trouble". Aber niemand ist vorbei gekommen. Eine warme Suppe, Kaffee oder Tee, physische Präsenz hätte uns aufgemuntert.
Es schockiert uns, dass niemand bereit war, sein warmes Bett, seine Komfortzone zu verlassen.
Herrlicher Saisonabschluss in den Karibik
In Egg Island, westlich von Eleuthera, verbringen wir drei nochmals sorglose Tage auf dem Wasser, im Wasser und unter Wasser. Die Korallen und die vielen Rifffische sind schön und die Unterwasserfauna vielfältig. Es fällt nicht ins Gewicht, dass Thomas jeden Tag das Essen aus dem Meer holt und auch Anna und Reinhard von der SANCARA mitversorgt. Noch hier am Anker bestellt sich Reinhard eine neue Harpune über Amazon.
Ein paar heftige Gewitter überstehen wir problemlos. Starke Regengüsse füllen alle unsere Kanister mit feinem Trinkwasser.
Bahamamama in Nassau
Bevor Viviane uns in Nassau verlässt, essen wir auswärts. Die beiden Girls trinken einen Bahamamama, Thomas bevorzugt ein Bier.
Am folgenden Morgen wollen wir mit dem Dinghy an Land gehen, da sehen wir, wie ein kleines Segelschiff seitlich an einem grösseren, verankerten, anliegt. Zuerst meinen wir, da sei jemand auf Besuch. Doch grässliche Scheuergeräusche lassen uns die Nassau Harbour Control anfunken. Nichts passiert. Unser kleines Beiboot mit dem 2PS Aussenborder ist fürs Wegschleppen zu schwach. Wir holen Hilfe beim Nachbarn, der kommt mit 50 Pferden und seiner Frau. Ein Dinghy allein reicht aber nicht, um die beiden Boote zu trennen. Wir holen weitere Hilfe. Ein Boot der Harbour Patrol fährt vorbei, die macht aber keine Anstalten, ihre eigentliche Aufgabe zu übernehmen. Mit zwei Beibooten wird das kleine Segelboot, das eher Treibholz mit Mast ist, an die Pier geschleppt und vertäut.
Max, der Eigner der SPACEGRAZER war mit Familie auf der US-Botschaft für das B1/B2 Visa. Er dankt allen Beteiligten für die Hilfe, auch jenen, die nur filmten ohne sich zu bewegen. Der Schaden ist nicht zu gross, der Gelcoat hat im Bugbereich gelitten. Er ist versichert.
Wir bringen Viviane an Land und sie fliegt nach Hause.
Der Golfstrom bringt uns zügig nach Beaufort, North Carolina. In viereinhalb Tagen legen wir 670 Seemeilen zurück. Dem Kreuzfahrtschiff Carnival Breeze müssen wir unter Segel ausweichen, da der wachhabende Offizier anscheinend den Kurs nicht selber ändern darf und uns bittet den Kurs zu ändern.
Seit zwei Jahren tragen wir einen Gaff (Haken mit Stiel) spazieren. Nun endlich kommt es zum Einsatz. Gabrielle kann eine Goldmakrele und eine Königsmakrele damit aus dem Wasser ziehen, nachdem sie an der Angel zappelten.
In Beaufort klarieren wir per CBP ROAM App in die USA ein und müssen nicht mal mehr bei der Customs and Border Protection persönlich vorbei gehen für Fingerabdrücke und Irisscan.
Wir bleiben ein paar Tage vor Anker, paddeln mit dem Kajak, schlendern der Wasserfront entlang und gehen an unserem Hochzeitstag mit Anna und Reinhard essen. Beim Spaziergang auf Horse Island sehen wir zwei wilde Pferde, zwei Braunmantel Scherenschnäbel, viel Schlamm und noch viel mehr Winkerkrabben.
Nach drei Tagen auf dem Intracoastal Waterway sind wir in Columbia NC am Scuppernong River. Hier lassen wir Maselle in der Cypress Cove Marina. Für wie lange wissen wir noch nicht. Im Sommer wollen wir möglichst viele Überführungen machen und auf dem Land reisen. Der Kiel muss saniert werden, doch das ist ein Herbstprojekt. Dann sind die Temperaturen und Stechmücken erträglicher.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas