Wir schlendern durch unsere alte Zwangsheimat der Marina des Atlantic Yacht Basin.
Klar schauen wir bei der Müllhalde, was da so herumliegt. Unsere Augen werden riesig, denn da stapeln sich mehrere Dinghies. Schon lange sind wir auf der Suche nach dem optimalen Beiboot für uns, eines das wir bei Bedarf rasch über Bord ins Wasser lassen können, und das gut ruderbar ist. Das Dinghy von Ginger und Peter, welche wir im Sommer im Lac Bras d'Or getroffen hatten, gefiel uns schon sehr gut. Nur leider ist es zu gross und zu teuer. Hier liegt nun ein sieben Fuss Dinghy (2.10m), das unseren Vorstellungen entspricht und auch auf Maselle Platz hätte. Jack, einer der Chefs des AYB, spricht uns das Boot zu und wir spenden 40$ fürs Betriebsweihnachtsessen.
Diesmal bleiben wir nur kurz in Great Brigde. Nach einem Nachtessen mit unserem Freund Matt, werfen wir am 20. November die Leinen los und motoren auf dem Intracoastal Waterway (ICW) südwärts.
Der Besuch von Elizabeth City ist ein Umweg für uns, doch wir können dorthin segeln und es hat einen Gratissteg. Die Stadt ist Ausgangs- und Ankunftspunkt des Dismal Swamp Kanals, eine Alternativroute zum parallel verlaufenden ICW. Dieser Kanal hätte uns schon sehr gereizt, doch er ist eng und führt wenig Wasser. Alle die hier ankommen, haben zwar nicht den Grund, jedoch Treibholz berührt. Anscheinend sind bei Kanalwartungsarbeiten geschnittene Bäume und Äste einfach ins Wasser geworfen worden. Später in der Bock Marine erfahren wir von Kenny, dass er einige Schiffe ausgewassert hat, die Schäden an Propeller und Ruder vom Dismal Swamp beklagten. Zum Glück sind wir mit unserem Kajak Mathilda vorletzten Sommer auf diesem Kanal gepaddelt und haben stressfrei einen schönen Teil gesehen. Nun sind wir froh, haben wir uns mit Maselle nicht getraut. In Elizabeth City selbst ist absolut nichts los.
Ein kalter, steifer Nordwind bringt uns schnell voran.
Die Luft ist klar, die Stimmung im Herbstlicht einzigartig. Wir tragen Thermounterwäsche und Daunenjacke unter der Segelmontur, zudem Kappe, Handschuhe und Schal. Jeden Abend ankern wir und heizen kräftig ein. Am vierten Tag auf dem ICW schmeissen wir Jack, so nennen wir unser neues Beiboot, ins Wasser, um seine Schleppeigenschaft zu testen. Im Gegensatz zum Bananaboot Maxime, die schon mit wenig Fahrt Wasser schöpft, hüpft Jack fröhlich auf und über den Wellen. Das eröffnet uns ganz neue Faulpelz-Perspektiven. Wir müssen Jack gar nicht ins Wasser werfen. Bei Tagesschlägen bleibt er einfach im Wasser.
Endlich lassen sich Anna und Reinhard einholen.
Im Adams Creek, kurz vor Beaufort, treffen wir sie. Eine Kaltfront zieht schnell und heftig vorbei. Unser Bügelanker bewährt sich einmal mehr. Abends sind wir auf SANCARA zu Gast. Am nächsten Tag laden wir sie zu Schweizer Fondue ein.
Dann fahren wir acht Meilen weiter in die Bock Marine, wo wir Maselle für einen Monat lassen werden.
Auf uns warten zwei Überführungen, Anna und Reinhard werden über die Bermudas in die Karibik segeln. Um ihnen den Abschied zu erleichtern, serviert Grillmeister Thomas beim letzten gemeinsamen Essen Kohle. Wir helfen SANCARA beim Ablegen und GRACE beim Anlegen. Uns bleibt nur wenig Zeit um mit Helen und David einen Kaffee zu trinken, dann heizen wir mit dem Mietauto nach Orlando, fliegen nach St. Thomas (USVirgins), nehmen die Fähre nach Tortola und das Taxi zur Mooringsbasis in Road Town. Hier in der Wärme schickt uns Matt ein Foto von seinem gesunkenen Hausboot. Es hat den ersten heftigen Schneesturm dieses Winters auf dem Lake Gaston nicht überstanden. Matt war glücklicherweise nicht an Bord.
Wir übernehmen einen brandneuen Katamaran Leopard 45.
Am Samstagmorgen, 1. Dezember, segeln wir los. Wir sind es gewohnt jeden Morgen tote fliegende Fische vom Deck zurück ins Meer zu werfen. Einer schafft es in die schlecht zugängliche Schotenbox unterhalb des Steuerstandes zu fliegen. Da wir weder Bootshaken noch Besen an Bord haben, können wir ihn nicht entfernen. Sein herrlicher Fischgeruch wird jeden Tag etwas intensiver. In Clarence Town, Long Island Bahamas, tanken wir und treiben einen Bootshaken auf, mit dem wir den Fisch endlich entfernen können. Mit einem Wasserschlauch spülen wir die Box gründlich durch. Das Fischparfüm-Wasser lockt zuerst Snappers und Stachelmakrelen an, dann schwimmen zwei etwa zwei Meter lange Kupferhaie unter dem Katamaran durch. Der Tankwart meint, das sei normal, mehrere Haie leben im Hafen. Die hier angebrachten Schilder: Shark Aerea, No Swimming machen also Sinn.
Wir brauchen sieben Tage bis Fort Lauderdale, wo wir sehnsüchtig erwartet werden. Kaum festgemacht, springt ein Trupp Südafrikaner von der Werft Robertson & Caine an Bord und beginnt sogleich die lange Mängelliste abzuarbeiten. Die neuen Besitzer stehen auch schon mit einer Flasche Champagner am Steg, überglücklich, denn sie mussten zwei Jahre auf die Auslieferung ihres Schiffes warten.
Zweimal übernachten wir auf dem Nachbarschiff, dann fliegen wir schon wieder nach Tortala. In der Zwischenzeit mieten wir ein Auto und besuchen die Everglades. Das Wetter ist fast wolkenlos schön, es weht ein starker Wind, so können wir unsere Spaziergänge mückenfrei geniessen. Wir sehen einen Manatee (Seekuh), einige Alligatoren, mehrere Pelikane, viele Geier und noch mehr Reiher.
Uns bleibt noch etwas Zeit für einen Besuch im Bass Pro und in der West Marine.
Wir liebäugeln schon lange mit einem Kartenplotter, den wir im Cockpit installieren können. Unsere elektronischen Seekarten sind auf dem Tablet, welches wir auf den Salontisch stellen. Bei Regen und Wind von hinten haben wir da so unsere Probleme. Entweder lassen wir den Niedergang offen und alles wird nass oder wir schliessen ihn und sehen keine elektronischen Karten mehr. Auch wünschen wir uns ein moderneres AIS-Gerät, auf welchem wir die grossen Schiffe besser erkennen können und Daten erhalten, wie Schiffsname, Distanz und Zeit der geringsten Annäherung. Solche Angaben sind vor allem Nachts und bei schlechter Sicht auf dem Kartenplotter sehr beruhigend. Diese Technik ist auf den Schiffen, die wir überführen, mittlerweile Standard.
Heute ist unser Glückstag, sowohl im Bass Pro Shop wie auch in der West Marine treffen wir auf kompetente Verkäufer, die nicht jede unserer Fragen googeln müssen. Im Bass Pro interessieren wir uns für einen Lowrance Kartenplotter, da diese Geräte unsere Navionics SD-Karten lesen können. Wir erfahren, dass ein in den USA gekaufter Lowrance Plotter alle seine Karten beim Überqueren der Datumsgrenze löscht. So schützt Lowrance seine Verkäufer im asiatischen Raum. Wunder Nummer zwei, der Verkäufer in der West Marine erzählt uns genau dasselbe. Er empfiehlt uns ein Raymarine Gerät, das in drei Tagen als Weihnachtsaktion für einen Tag zum halben Preis verkauft wird. Dann werden wir aber schon in Tortola sein. Wir können ihm per email einen Bestellauftrag geben, damit er für uns am Aktionstag das Gerät kauft und auf die Seite legt.
Am 11. Dezember sind wir auf auf dem zweiten Katamaran in Road Town und keine 24 Stunden später, vollgetankt und mit zusätzlich 400 Liter Diesel in zwei Fässern an Bord, unterwegs nach Florida. Diese Überführung eilt noch mehr. Die neuen Besitzer wollen am dritten Januar auf dem Schiff heiraten. Da die Werft in Fort Lauderdale ab Freitag, 21. Dezember, Betriebsferien bis ins neue Jahr macht, bleibt nach unserer Ankunft nur noch wenig Zeit, alle Mängel zu beheben. Wir geben nach jeder Überführung eine Mängelliste ab. Für die tausend Seemeilen nach Fort Lauderdale brauchen wir fünf Tage und zwei Stunden, Das gibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über acht Knoten. Klar hatten wir die Segel oben, doch die Motoren liefen pausenlos. Selbst als die US-Küstenwache beim Überqueren des Golfstroms neben uns herfährt und über Funk unsere Daten verlangt, drosseln wir das Tempo nicht.
Zum Glück kommen sie nicht an Bord, denn unterwegs hat uns eine Welle die Schiebetüre des grossen Badezimmers steuerbords so zugeknallt, dass wir sie nicht mehr öffnen können. Da zudem die Badezimmerluke von innen verriegelt ist, kommen wir auch von aussen nicht rein. Die Küstenwache hätte die Türe sicher aufgebrochen, denn in diesem grossen Bad könnten sich locker zehn Mexikaner verstecken.
Auch jetzt wieder zügeln wir nach Ankunft gleich aufs Nachbarschiff um den Werftarbeitern Platz zu machen.
Wir holen schnell unseren neuen Kartenplotter ab und fahren mit dem Mietauto zurück zu Maselle in die Bock Marine, denn auch die haben ab Freitag Betriebsferien.
Drei Überraschungen erwarten uns in Beaufort.
- Unser neues Grossegel ist angekommen. Obwohl unser altes erst drei Jahre alt ist, mussten wir in letzter Zeit immer wieder Risse nähen.
- Kenny und Nancy haben ein sehr schlechtes Gewissen, dass unser Auspuffrohr brach, wir abgeschleppt werden mussten und deshalb in New Bedford Umtriebe hatten. Sie erlassen uns die Liegegebühren für Maselle.
- Wir sind zum Austernschmaus, dem Betriebsweihnachtsessen, eingeladen.
Gerne würden wir direkt zu den Bahamas segeln, doch das Wetter hat andere Pläne mit uns.
So können wir nun beim Cape Lookout ankern und barfuss am Strand spazieren, bevor wir der Küste entlang Richtung Savannah segeln. Nördlich von Hilton Head bei Beaufort, South Carolina, kommen wir zurück auf den ICW und wollen im Herb River ankern. Der Fluss ist viel tiefer als in der Karte verzeichnet, so wagen wir uns immer weiter vorwärts. Wir gelangen an einen Steg, wo wir für eine Nacht festmachen. Endlich ist es nachts so warm, dass wir nicht mehr heizen müssen. Wir nutzen die Gelegenheit von Wasser am Steg und schrubben und putzen Maselles Deck vom Heizungsruss frei. Am nächsten Morgen fahren wir mit der Flut noch weiter flussaufwärts um völlig einsam zu ankern.
Wir können Jack nach einer viertelstündigen Ruderei am Steg des Restaurants The Wylde festmachen. Von da aus sind es noch zehn Gehminuten zur Busstation. Der 31er bringt uns in dreissig Minuten nach Downtown Savannah.
Savannah ist die schönste Stadt an der Ostküste der USA. Sie wurde auf dem Reissbrett entworfen und 1733 gegründet. Sie wirkt auf uns fast schon europäisch, wenn da nicht die vielen Parks mit den grossen, von Epiphythen bewachsenen und von Spanish Moss behangenen Bäume wären. Die Häuser im historischen Viertel sind imposante Zeugen aus der Zeit, als Baumwolle und Reis Wohlstand und Ansehen brachten.
1819 fuhr die Savannah als erstes Dampfschiff in 27 Tagen über den Atlantik nach Liverpool.
1912 gründete Juliette Gordon Low hier die Girl Scouts.
1994 sass Tom Hanks als Forrest Gump im Chippewa Park auf einer Bank und verteilte Pralinen.
Wir nehmen uns zwei Tage Zeit um durch diese Stadt zu schlendern, alles ist problemlos zu Fuss erreichbar. Wir haben Wetterglück, es regnet immer nur nachts.
Heute, am letzten Tag im 2018 warten wir auf die Nachmittagsflut und fahren vorsichtig aus dem Herb River zurück auf den ICW.
HAPPY NEW YEAR
Gabrielle und Thomas
P.S. Matt ist schon bald wieder flott, er hat sich ein neues, gebrauchtes Hausboot gekauft.