Unser Leben plätschert vor sich hin. Wir beschäftigen uns mit kleinen Reparaturen an Maselle. Das Grosssegel wird abgebaut und inspiziert. Drei Mastrutscher werden verstärkt, das Kopfbrett neu vernietet und kleine Schadstellen verklebt und genäht, der Lümmel vom Grossbaum wird ersetzt und neue Reelingsdrähte werden eingezogen. Gabrielle näht ein neues Sonnensegel übers Cockpit und für alle Winschen neue Hauben.
Mit dem Ford Transit von Marcie und David fahren wir nach Portsmouth. Im ältesten Kino, dem Commodore, lässt Thomas Tulip Fever über sich ergehen, während Gabrielle den Film geniesst. Das Kino wurde renoviert, aber im alten Stil gelassen. Um das Kino attraktiver zu machen, wurde es mit einem Restaurant kombiniert. Wir sitzen an einem Tisch und bestellen über das Tischtelefon Coca Cola. In dieser Nachmittagsvorstellung sind wir praktisch alleine im Saal.
Es wird herbstlich. Wenn wir am Morgen vom Geschnatter der Kanadagänse geweckt werden, blicken wir in eine dicke Nebelsuppe. Die Sonne gewinnt meistens schnell Oberhand. Wir freuen uns über die warmen Tage und wandern in der Sumpflandschaft des Great Dismal Swamps. Wir sehen Weisswedelhirsche, leider keine Schwarzbären. Was wir von ihnen zu sehen bekommen, seht ihr weiter unten auf einem Foto. Am Wegrand wächst das orangerote Springkraut, welches den Juckreiz bei Kontakt mit Poison Ivy lindern soll.
Täglich schauen wir auf den Hurricane-Tracker und sind froh hier im sicheren Norden zu sein, obwohl auch hier mal ein Schiff absinkt, wenn seine Seeventile undicht sind.
IRMA wütet in der Karibik und zerstört unter anderem die Charterbasis auf Tortola, von wo aus wir die Deliveries gefahren sind. Sogar die sogenannten Hurricaneholes bieten keinen Schutz. Praktisch alle Schiffe gehen verloren, inklusive diejenigen befreundeter Delivery-Crews. JOSE folgt, später MARIA.
Am Dienstag Morgen, 19. September, sitzen wir im Cockpit und trinken Kaffee. Shane ruft an und fragt, wo wir seien, ob unser Schiff sicher sei und wie schnell wir an einem Flughafen sein können. So kommt es, dass wir am Dienstag Abend in Washington DC übernachten, am Mittwoch Nachmittag in Marsh Harbour (Bahamas) sind und abends um 18Uhr mit einem LEOPARD 40 auslaufen mit Ziel Boatshow Annapolis. Wegen der vielen Hurricanes konnte die Charterfirma Sunsail den Katamaran nicht früher losschicken und nun sitzt uns MARIA im Nacken, auf Höhe Puerto Rico. Wir haben 10 Tage Zeit um das Schiff rechzeitig zur Boatshow abzuliefern.
Mit gefüllten Tanks und zusätzlichen 400 Liter Diesel in Fässer brettern wir Richtung Florida los. Es wird eine ruppige Fahrt mit viel Schwell und kurzen, spitzen Wellen. Vom Cape Canaveral aus motoren wir der Küste entlang nordwärts. Am Samstag kommt uns MARIA so nahe, dass wir bei Beaufort (South Carolina) auf den Intracoastal Waterway ausweichen. Die nächsten vier Tage sind wir von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unterwegs. Unbeleuchtete Tonnen, Krabbenkörbe und Treibholz zwingen uns zur Nachtruhe. Wir finden lauschige Ankerplätze und schlafen gerne durch. Auf diesem südlichen Teil des ICW fahren wir grünen, weiten Schilffelder entlang, sehen Delfine, Alligatoren, Pelikane, Reiher, Adler, Ibisse und Kraniche.
Nach Georgetown folgt eine längere Waldpassage. MARIA bringt uns steifen Nordwind, wir ziehen uns warm an. Immer wieder ziehen wir an Golfplätzen vorbei und an stattlichen Villen mit ellenlangen Piers.
Das klingt alles sehr schön und entspannend, wenn nur nicht diese Brücken wären. Auf dem ICW gibt es drei verschiedene Brücken: Feste Brücken, Hebebrücken und Drehbrücken. Alle festen Brücken sollten eine Mindesthöhe von 65Fuss (20M) haben. Die Masthöhe unseres Katamarans beträgt 63Fuss10Inch (19,8M) plus Windmesser, Ankerlicht und Antenne.
Ganz langsam fahren wir jeweils vor die Brücke und sind stets bereit voll zu bremsen. Schon bei der ersten Brücke schrammen wir mit der Antenne unten an der Brücke entlang. Wir sind froh um jede Brücke, die wir bei Ebbe passieren und lieben die Hebe- oder Drehbrücken, auch wenn wir manchmal auf deren Öffnung warten müssen.
Die Autobahnbrücke auf 34°30'Nord 77°25,8'West, zwischen Wrightsville und Morehead stoppt uns. Sie ist nur 64Fuss hoch. Um 21Uhr, bei voller Ebbe, liegen wir gefendert am Brückenpfeiler und ziehen uns von Hand langsam vorwärts. Doch vergebens, die Mastspitze stösst an der Brücke an. Am nächsten Morgen fahren wir 30 Seemeilen zurück nach Wrightsville, tanken, nehmen den Courtesy car der Marina und kaufen ein paar Lebensmittel ein. Durch den Masonboro Outlet gehts wieder hinaus auf den Atlantik. MARIA ist jetzt östlich von uns. Ums Cap Hatteras ist es richtig kalt und nass, sogar oben auf dem Steuerstand werden wir von den Wellen nassgespritzt.
Freitag Nacht kurz vor Mitternacht ankern wir vor Annapolis, nach 1147 Seemeilen und 170 Stunden unter Motor. Gesegelt sind wir nicht, ab und zu haben wir die Genua zur Unterstützung ausgerollt.
Am Samstag Morgen bringen wir das Schiff in die Marina, 5 Tage vor Messebeginn.
Wir treffen Birte und Wolfgang von der TANAMERA. Sie warten auf ein gutes Wetterfenster um in den Süden zu segeln.
Mit dem Mietauto fahren wir nicht sofort zur Maselle. Schon lange möchten wir den Shenandoah Nationalpark in den Appalachen besuchen. Wir fahren auf dem 170 Kilometer langen Skyline Drive mitten durch. Wir brauchen den ganzen Tag, da wir fast bei jedem Aussichtspunkt anhalten und zwei kleine Wanderungen machen. Wir hoffen, in zwei bis drei Wochen für den Indian Summer nochmals hier vorbeizukommen für ein paar längere Wanderungen.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas