Kaum sind Brigitte und die Kids weg, kommt auch schon Gabrielles Schwester Viviane zu Besuch. Spät abends holen wir sie in Nassau am Marina Pier mit dem Dinghi ab. Sie kommt mit drei Koffern. Zum Glück hat es kaum Wind und keine Wellen, so bringen wir uns und das Gepäck, u.a eine Nähmaschine und viel Greyerzerkäse, trocken an Bord der Maselle.
Am nächsten Morgen segeln wir los nach Allans Cay. Da wir aufkreuzen müssen, kommen wir erst in der Nacht an. Wir kennen das Gebiet und wissen wo im Dunkeln ankern. Hier besuchen wir wieder die Leguane, diesmal werden wir nicht gebissen.
In Normans Cay waren wir noch nie. Während einer Erkundungstour fahren wir in Richtung Sandstrand um Anna aufzutanken, da sehen wir einen Grundhai im seichten Wasser jagen, wir jagen ihn mit der Kamera.
Shroud Cay hat uns so gut gefallen, dass wir Viviane die Mangrovenpassage zeigen wollen. Mit dem Timing klappt es nicht ganz. Wir fahren mit Maxime bei Ebbe rein und bei noch grösserer Ebbe wieder raus. Schön sieht es aus, doch wir müssen oft den Aussenborder hochnehmen, mit den Paddeln stochern oder sogar aussteigen und Maxime ziehen. Der Gezeitenunterschied beträgt in den Bahamas um einen Meter. Klar sind wir die einzigen, die jetzt noch unterwegs sind und sich abmühen. Wir findens lustig. Am Ausgang treffen wir eine biertrinkende Gruppe auf Liegestühlen im Wasser. Sie wurden mit dem Dinghi, welches fast so gross ist wie Maselle, hierher gebracht.
Der Wind flaut ab. Nun können wir am exponierten Long Rock nördlich von Warderick Wells ankern und am Aussenriff schnorcheln. Die Fisch- und Korallenwelt ist so reichhaltig, dass sie uns an Bonaire erinnert: Languste, Krabbe, Barrakuda, Schildkröte, Rochen und viele Rifffische. Plötzlich schreit Viviane:„Manta, Manta!“ Ist es zwar nicht, doch an uns vorbei schwimmt der grösste Adlerrochen, den wir je gesehen haben, gefolgt von einem zweiten, nur wenig kleineren.
In Staniel Cay füttert auch Viviane die Schweinchen und bringt sie zum schwimmen. Bei der Thunderball Grotte haben wir viel Strömung und das Wasser steht hoch. Wir müssen zum Grotteneingang runtertauchen. Anscheinend haben wir Viviane schlecht instruiert. Sie holt tief Luft, taucht ab, unter der ganzen Grotte hindurch und auf der anderen Seite der Insel atemlos wieder hoch. Bravo, neuer Rekord! Es braucht Überzeugungskraft mit ihr wieder zurück in die Grotte zu tauchen. Die Grotte selbst ist immer ein Erlebnis.
Endlich nehmen wir uns die Zeit den neuen Petrolkocher, welchen Brigitte uns mitgebracht hatte, einzubauen.
Auf dem Rückweg in den Norden erlaubt uns das Wetter im offenen Atlantik, im Exuma Sound, zu segeln. Am Morgen verlasssen wir die geschützte Exuma Bank durch einen Cut, um abends durch einen anderen Cut wieder zurück in die geschützte Bank zu gelangen. In Warderick Wells nehmen wir die Boje Nummer 22, bei Ebbe tauchen ringsum Sandbänke auf, macht schon etwas mulmig. Wir geniessen den Sonnenuntergang vom Boo Boo Hill aus. Naomis bemaltes Holzbrett ist noch da. Mit der Dämmerung sind wir zurück auf Maselle. Beim Festmachen von Maxime entdecken wir zuerst einen, dann zwei, dann drei Schwarzspitzenriffhaie, die um unser Schiff kreisen. Wie wir sind sie durch den Cut gekommen.
Der schöne Schnorchelplatz hier ist meistens starker Strömung ausgesetzt.. Am Morgen gehen wir mit Maxime zu der Schnorchelboje kurz bevor der Flutstrom kentert. Wir lassen uns Richtung Bank treiben. Die einsetzende Ebbe trägt uns wieder zu Maxime. Wir nehmen sie in Schlepp und driften zurück zur Maselle.
Beim South Sail Rock wollen uns Fischer einen fetten Barrakuda verkaufen, was wir wegen der Ciguaterra-Gefahr dankend ablehnen. Doch gerne tauschen wir, und sie auch, drei Dosen Bier und ein Päckli Zigaretten gegen vier Conchschnecken. Zwischen zwei kleinen Inselchen fliesst die kalte Flut rein, im Hinterwasser der Insel ist es schön warm. Diese Kombination lockt Jäger an, wie Schwarzspitzenriffhaie, Barrakuda und Thomas. Mit der selbstgebastelten Hawaiian Sling (Harpunen sind auf den Bahamas verboten) erwischt Thomas zwei Nassau Zackenbarsche, zusammen mit den Conch gibt das ein Festessen.
Schon verlässt uns Viviane in Nassau und wir segeln noch am gleichen Tag nach Marsh Harbour, Great Abaco.
Wir putzen wieder mal unser Unterwasser. Unser Nachbar Eric sieht dies und fragt uns, ob wir seinen Kiel auch reinigen könnten. Zuerst bietet er uns dafür einen Grill oder eine Tauchflasche an. Da sein Schiff jedoch runtergekommen aussieht, befürchten wir, dass es die Ausrüstungsgegenstände auch sind. Wir einigen uns auf fünfzig Dollar. Als wir mit dem Spachtel in der Hand abtauchen, werden unsere schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Das ganze Unterwasser ist mit einer dicken Schicht Seepocken und Muscheln bedeckt. Wir kämpfen eine gute Stunde und betrachten es als Training. Da wo wir alle Muschelschichten wegkratzen können, stossen wir auf Rost, uiuiuiui.
Wir lassen Maselle in der Conch Inn Marina, nehmen ein Taxi an den Flughafen, fliegen über Miami nach St. Thomas (US Virgin Islands), übernachten da, fahren am nächsten Tag mit der Fähre nach Road Town, Tortola (British Virgin Islands), übernehmen einen brandneuen Katamaran Leopard 48, segeln 860 Seemeilen in fünf Tagen nach Marsh Harbour und liefern ihn bei Moorings (Charterfirma) in der Conch Inn Marina ab. Damit verdienen wir doch etwas mehr als beim Kielputzen.
Wie kommen wir dazu? Shane und Anne trafen wir auf den San Blas Inseln und haben einige Zeit in Kolumbien zusammen verbracht. Shane gehört die Firma Atlas Delivery. Wir haben uns bei ihm beworben und nun unseren ersten und hoffentlich nicht letzten Auftrag erhalten. In Road Town werden wir von anderen Delivery Crews instruiert. Die Katamarane sind von der Werft in Südafrika per Frachtschiff nach Tortola gebracht worden. Sie sind ganz neu und müssen auch so abgeliefert werden. Deshalb lassen wir die ganze Plastikabdeckung im Innenraum, schützen den Kochherd mit Alufolie, basteln einen Rost, kochen nur auf einer Flamme, schlafen im Salon, benutzen nur eine (elektrische) Toilette und duschen draussen.
Wir nehmen unser eigenes Geschirr, eine Pfanne, Feldstecher und Werkzeuge mit, allerdings brauchen wir eine Portion Glück, damit wir am Schluss alles dabei haben. In Miami müssen wir unsere Tasche aus Sicherheitsgründen bei der Gepäckausgabe Nummer 9 abholen und neu einchecken. Wir stehen da und unsere Tasche fehlt. Die Information hat keine Ahnung und wir sind schon unterwegs zum Lost an Found Schalter. Da entdeckt Gabrielle per Zufall unsere Tasche bei der Gepäckausgabe Nummer 4 ganz alleine ihre Runden drehen. Die Tasche wurde gecheckt und von der Security aufs falsche Band zurückgestellt. Gut haben wir keinen 0815 Rollkoffer in schwarz. In St. Thomas müssen wir die Tasche für die Fahrt auf der Fähre abgeben. Auf einem Gepäcktrolley schieben zwei Jungs die Koffer und Taschen an den Rand des Quais und geben jedes einzelne Stück von Hand hoch zur Fähre. Zu unserem ersten Schreck wird alles ungeschützt auf dem Bug verstaut, zu unserem zweiten Schreck kippt der Trolley. Unsere Tasche fällt auf den Quai, ein Koffer fällt ins Wasser. Erstaunlicherweise können wir eine Stunde später unsere Tasche in Road Town trocken entgegen nehmen.
Zurück in Marsh Harbour wollen wir eigentlich so rasch wie möglich in die USA segeln.
Einmal mehr haben wir ein Motorenproblem. Der Anlasser streikt. Gefühlte hundert Mal baut Thomas ihn aus und wieder ein. Wir bestellen einen Mechaniker für den nächsten Morgen auf acht Uhr. Als er um 15 Uhr zum Schiff kommt, ist der Anlasser repariert und wieder eingebaut. Thomas hat die Wartezeit gut genutzt und der Mechanker freut sich, dass wir das Problem selber lösen konnten. Abends liegen wir im Swimming Pool der Marina und lassen unsere Körpertemperatur und die Nerven runterfahren.
Am 28. Mai setzen wir Segel mit Kurs auf Beaufort, North Carolina. Für die 560 Seemeilen brauchen wir fünf Tage. Wir sind halt nicht so schnell wie der Leopard. Allerdings haben wir auf der ganzen Strecke wenig Wind. Wir haben eine gemütliche, entspannte und ruhige Überfahrt, so ruhig, dass wir in der Bugkoje schlafen. Tagsüber setzen wir den Parasailor. Lustigerweise frischt der Wind jeweils nachts zwischen 23 und 02 Uhr auf, zweimal so sehr, dass wir reffen müssen.
In Beaufort werden wir von den Südstaatlern charmant empfangen. Der Dockmaster und andere Boater nehmen unsere Leinen entgegen. Im Büro können wir mit dem Zoll telefonieren. Eine halbe Stunde später sind die Zöllner an Bord und alle Formalitäten erledigt. Weil wir keine 60$ für eine Nacht in der Marina bezahlen wollen, ankern wir im Turner Creek. Das haben wir sowieso viel lieber.
Beaufort ist eine für amerikanische Verhältnisse alte Stadt, sie wurde 1708 gegründet. Sie gefällt uns.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas