Snug Harbour, Kuna Yala, Montag, 2. Januar 2017
Auf dem Weg von Puerto Lindo zu den San Blas Inseln haben wir endlich wieder mal Anglerglück. Ein Segelfisch beisst an. Wir holen ihn seitlich zur Maselle, da wir Angst haben, dass er wie ein Marlin hoch aus dem Wasser springt, im Cockpit landet und uns dabei verletzen könnte. Zur Betäubung kriegt er einen kräftigen Schluck Rum, bevor wir ihn an Deck hieven. Vor Anker in Eastern Lemmon Cays, bei Banedup, hängen wir abends den ausgeweideten Fischresten an der Schwanzflosse an die Badeleiter. Immer wieder ruckt es an unserem Heck. Wir leuchten mit der Taschenlampe und sehen einen zwei Meter grossen Ammenhai um unser Schiff kreisen. Am nächsten Morgen ist alles bis auf die Schwanzflosse weggefressen.
Wir treffen Suzanne und Sylvain von LET IT BE wieder. Gemeinsam essen wir vier Mal Segelfisch. Die San Blas Inseln, Kuna Yala, sind ein teilautonomes Gebiet, welches zu Panama gehört. Hier leben die Kuna Indianer, die über Jahrhunderte ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bewahren konnten. Sie leben sehr einfach und traditionell auf ihren Inseln. Die Frauen kleiden sich mit Puffärmelblusen, auf deren Vorder- und Hinterseite sie Molas nähen. Molas werden aus drei bis fünf verschiedenfarbigen Stoffschichten von Hand genäht. Die Umrisse der Motive werden ausgeschnitten und in umgekehrter Reihenfolge zusammengenäht. Als Rock tragen sie Wickeltücher. Unterarme und Unterschenkel schmücken sie mit farbigen Glasperlenketten. Die Männer ziehen sich modern und leger an.
Die westlichen Inseln leben heute vom Tourismus, mittlerweilen liegen die Inseln auf der Route einiger Kreuzfahrtschiffe. Praktisch alle Kanus hier haben einen nigelnagelneuen 15PS Yamaha Aussenborder. Zwischen den Inseln und dem Festland verkehren stark motorisierte Wassertaxis, für Touristen und auch Einheimische. Auf manchen Inseln, die laut unserem nautischen Reiseführer unbewohnt sein sollten, weht die Kuna-Adventure-Fahne. Hier verbringen Touristen einen Tag mit Kuna-BBQ oder Ferien mit einfacher Übernachtungsmöglichkeit. Diese Inseln werden gepflegt und sind sauber. Wollen wir da an Land, müssen wir 2$ pro Person bezahlen oder etwas an der Bar trinken. Das haben wir nicht ganz so erwartet, finden es aber in Ordnung.
Täglich kommen Kunas mit ihren Kanus vorbei und bieten Fisch, Langusten, Krabben und Molas feil. Sie sind nicht aufdringlich, lachen immer und reden oft so wenig Spanisch wie wir. Einer Frau mit drei Kindern, welche uns vorjammert, wie teuer die Schule sei, kaufen wir vier Molas günstig ab. Die Qualität ist jedoch nicht besonders. Normalerweise nähen Frauen die Molas, doch gibt es vier männliche Ausnahmen: Lisa, ein Travestit, der sehr weiblich wirkende Venancio, die anderen beiden kennen wir nicht. Venancio kommt mit seinem Bruder zu uns an Bord. Es regnet gerade wieder einmal. Unter der aufgespannten Regenblache trinken wir Kaffee, essen Ananas und plaudern. Dann packt er all seine Molas aus, die Qualität ist umwerfend, der Preis auch. Die schönsten kosten 100 Dollar, wir entscheiden uns für zwei einfachere Modelle und bezahlen dafür 50 Dollar. Wofür haben wir eigentlich in Bonaire wie gestört Eindollarscheine gesammelt?
Unsere ersten Schnorchelausflüge sind enttäuschend. Die Sicht ist schlecht und Fische sind rar. Wahrscheinlich liegt dies an der Regenzeit. Die Flüsse vom Festland trüben das Wasser nahe der Küste. Vor Dog Island liegt ein Wrack, welches wir am 8. Dezember beschnorcheln. Vom Wasser aus sehen wir eine grosse Kinderschar am Ufer warten. Ständig bringen Wassertaxis neue Kinder und auch Erwachsene. Auf dem letzten Taxi steht vorne am Bug der Samichlaus (Santiklaus). Die Kinder stürmen auf ihn zu.
Wie überall auf der Welt gibt es auch hier Buchten mit Yachtanziehungsmagneten. Viele Boote liegen hier . Da wir ein Polyesterboot haben, werden wir nicht angezogen und suchen uns einsame Ankerplätze aus. Das Segeln und Motoren zwischen den Riffen ist nicht einfach. Wir haben eine Übersichtskarte auf Papier. Für die Navigation brauchen wir elektronische Seekarten auf dem Computer. Navionics-Karten sind unbrauchbar, mehr als einmal wären wir damit über Inseln gefahren. Auf die Karten von Eric Bauhaus können wir uns auch nicht hundertprozentig verlassen. Zweimal hätten wir fast den Grund berührt, wo laut Karte noch mindestens acht Meter unter dem Kiel hätten sein müssen. Deshalb halten wir uns an die alte Regel: Riffeinfahrt nach Sicht mit gutem Licht und der Sonne von hinten.
Wir liegen geschützt hinter Riffen und Inseln mit Kokospalmen, mit Blick auf die Panamaküste mit ihren Bergen und tropischen Wäldern, Pelikane stürzen ins Wasser. Manchmal finden wir richtig schöne Schnorchelplätze mit guter Sicht und vielen Fischen. Dann geht die Jagd los, Thomas und Sylvain mit der Harpune, Gabrielle und Suzanne mit der Unterwasserkamera.
Eines abends gehen wir in Tiadup (Eastern Holandes Cays) an Land. Ein Dutzend Kinder und ein paar Hunde empfangen uns. Die Kinder sind ganz wild darauf fotografiert zu werden und selber zu fotografieren. Sie haben zur Zeit drei Monate schulfrei, deshalb sind alle zu Hause. Am nächsten Tag besuchen wir sie nochmals und verteilen Farbstifte, Malkreide, Zeitschriften und einen Wasserball. Damit spielt Thomas Volleyball mit ihnen und bekommt ein kleines Körbli geschenkt. Die Frauen zeigen uns ihre Molas und ihren Schmuck. Die ganze Familie stellt sich gerne und stolz vor die Kamera.
In Waisaladup (Western Holandes Cays) lebt der 74jährige Julio mit seiner vierten Frau, die anderen drei hat er überlebt. Er holt für uns vier Kokosnüsse von den Palmen und bereitet sie für uns trinkfertig zu. Auf den östlichen San Blas Inseln ist deutlich weniger los. Die Kunas kommen mit ihren Kanus segelnd oder paddelnd vorbei, hat mal einer einen Aussenborder, so ist es eine noname Rochel. Wir kaufen Fisch, Langusten und Kokosnüsse, nicht ohne zu handeln. Für die Languste bezahlen wir drei bis vier Dollar und eine Cola, für drei Fische ein Kilo Reis, für vier Kokosnüsse zwei Cola. Zucker hätten die Kunas gerne, haben wir aber nicht, Kaffee wollen sie nicht, Zigaretten auch nicht. Im Januar 2008 wurde das Rauchen für die Kunas vom obersten Congreso (Versammlung der Häuptlinge) verboten, zumindest in Nargana.
In Nargana können wir etwas Obst und Gemüse, Bier und Rum einkaufen. Wir heuren Frederico an und machen mit ihm eine Dinghifahrt auf dem Rio Diablo. Da Suzanne und Sylvain keine Frühaufsteher sind, sehen wir natürlich keine Tukans, Tapire, Gürteltiere und Krokodile. Trotzdem gefällt uns die Fahrt durch den Dschungel. Wo der Fluss fürs Dinghi unpassierbar wird, nehmen wir ein ausgiebiges Süsswasserbad. Die Einheimischen holen hier ihr Trinkwasser und waschen sich und ihre Wäsche.
Wir gehen weiter zu den Naguargandup Cays. In Salardup verbringen wir einen letzten Abend mit Suzanne und Sylvain, bevor sie nach Westen Richtung Panamakanal weiterziehen. Sie laden uns zu Filet Mignon aus Kanada ein, Tiefkühler sei Dank. Der Abschied fällt uns schwer. Da sie direkt in den Pazifik gehen, werden wir sie wohl nicht mehr sehen.
Unser Highlight auf den San Blas Inseln ist Esnasdup. Wir sind ein paar Tage über Weihnachten ganz alleine und entdecken vorzügliche Schnorchel- und Jagdgründe. In Nargana kaufen wir nochmals ein. Mit dem Kajak paddeln wir am späten Nachmittag den Rio Diablo hoch. Wir baden und füllen Wasser in Kanister ab, mit welchem wir auf der Maselle unsere Wäsche waschen. Wir werden von klitzekleinen Mücken (no-see-ums) geplagt, dafür sehen wir Tukane und Krokodile.
Im Osten von Green Island, vor Sabuduporded, ankern wir alleine. Daniel mit seinen drei Cousins kommt vorbei. Wir kaufen ihm Langusten ab und er leiht sich von uns eine Harpune, welche er nach vier Stunden sicher wieder zurückbingen will. Er kommt nicht vorbei und auch am nächsten Morgen sehen wir weder Daniel noch unserer Harpune. Pancho will uns Langusten verkaufen, doch wir fragen ihn nach Daniel und seinen Cousins. Er sagt uns, diese seien böse Buben und hätten die Harpune sicher schon verkauft. Er wisse, dass sie im sechs Meilen entfernten Cambombia die nächsten drei Tage am Fischen seien. Wir lichten den Anker und segeln halt zurück nach Westen. Noch bevor der Anker den Grund berührt, ist Daniel mit seinem Kanu und der Harpune schon längsseits. Der starke Gegenwind hätte es ihm nicht erlaubt bei uns vorbeizusegeln. Er fragt uns mehrmals, ob das kein Problem für uns sei. Wie auch immer, wir unterstellen ihm keine böse Absicht, sind froh haben wir unsere Harpune wieder und segeln gleich zurück nach Green Island.
Diesmal ankern wir da, wo alle sind, denn wir haben gehört, dass das Aussenriff sehr schön zum schnorcheln sei. Das Riff ist schön, doch die Fische fehlen. Hier verbringen wir Silvester. Die Italiener tuten um sechs Uhr Abends schon in ihre Nebelhörner und stossen aufs neue Jahr an. Sind die schlau. In Italien ist es nämlich schon Mitternacht, gut gerutscht dürfen sie sich schlafen legen.
Wir segeln einen längeren Schlag nach Osten. In unserer vorgesehenen Ankerbucht, Snug Harbour, liegt die irische Yacht IOLAIR. Mit Anne und Shane kommen wir schnell ins Gespräch. Wie wir sind sie auf dem Weg nach Kolumbien und machen eine Abendspazierfahrt mit dem Kajak. Wir kaufen eine in Holz eingerahmte Mola für 5$, nicht gerade wunderschön, doch wir unterstürzen so die Kunas. Arkin bringt uns Bananen, Kokosnüsse und Yukka (Maniok). Er zeigt uns wie die Yukkawurzel längs aufgeschnitten und geschält wird. Zum Glück haben wir das Buch Taschenlexikon tropischer Nutzpflanzen und ihrer Früchte von Freddie. Yukka enthält viel Blausäure, die durch Hitze neutralisiert wird. Wir kochen die Wurzel wie „Gschwellti“ im Dampfkochtopf. Es schmeckt vorzüglich.
Wir hoffen, ihr hattet schöne Festtage und wünschen euch einen guten Start im neuen Jahr.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas