Wir sind so froh, dass der Motor nun endlich läuft. Er springt am Samstag und am Sonntag an (10. und 11. Februar). Die Freude währt nicht lange. Am Montag schaut Mike bei uns vorbei. Er will bei uns ein paar Ideen holen, da auch er zusammen mit Gary einen neuen Motor in sein Segelschiff einbaut. Wir drücken auf den Starterknopf. Unsere Vorstellung misslingt, der Motor macht keinen Wank. Sofort suchen wir die Ursache und finden Wasser im Motor.
Was ist passiert?
Ist der Auspuffschlauch zu hoch montiert und beim Abstellen des Motors fliesst zu viel Seewasser zurück?Liegt die Seewassereinspritzung in den Auspuff zu wenig hoch über der Wasserlinie und entsteht dadurch ein Siphon?
Liegt es an beidem?
Wie auch immer, der Gegendruck vom Wasser in den Zylinderköpfen ist so gross, dass der Motor nicht mehr drehen kann und eine Pleuelstange gestaucht wird. Also bauen wir am Dienstag mit Chip den Motor wieder aus und nehmen ihn auseinander. Für eine lange Weile sitzt der Motor mit uns im Salon.
Natürlich dauert es, bis Chip die Teile bestellt und es dauert noch länger, bis diese geliefert sind. Hinzu kommt noch der President's day, da arbeitet sowieso niemand.
Etwas Gutes hat die Sache, wir können den Motorenraum neu isolieren.
Virgil hat ein grosses Holzschiff und lädt uns mit Mike und Gary zum Hamburgeressen ein. Virgil ist eine Mischung aus Red Neck und Hill Billy. Er selbst nennt sich Red Billy, trinkt keinen Kaffee, dafür Rum mit Pepsi, arbeitet an seinem Schiff mit manchmal unkonventionellen Methoden (dichtet Lecks im Deck mit schwarzem, gemahlenem Pfeffer), besitzt fünf Chevrolet Trucks (Pickups), jagt Weisswedelhirsche, kocht gerne, ist etwas einsam und geniesst Gesellschaft. Wir verbringen einen lustigen Abend mit ihm. Er gibt viele seiner Rezepte preis, zum Beispiel fünf verschiedene Arten Hirschfleisch zu trocknen oder Aprikosen-Pfeffer-Chutney. Er kredenzt Moonshine, einen selbstgebrannten Hefeschnaps, welcher wie Tequila mit Salz und Zitrone ex getrunken wird. Per Zufall erfahren wir, dass er am nächsten Tag Geburtstag hat und überraschen ihn gemeinsam mit Mike, Gary und selbstgekauftem Schoggikuchen und einem Geburtstagsständchen. Es rührt ihn zu Tränen. Mit seinen 59 Jahren hat er so etwas bis jetzt erst einmal erlebt. Er erzählt aus seiner Jugend. Zusammen mit sechst Geschwistern ist er im Hinterland in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, Opossum und Waschbär standen auf dem Menüplan, mit 15 sah er den ersten Supermarkt, mit 17 flog er von der Schule und ging ins Militär.
Seit langem wird es wieder richtig warm, über 20°C (68°F). Wir lüften und putzen das ganze Schiff. Obwohl wir kräftig geheizt haben, hat sich doch einiges Kondenswasser angesammelt. Am meisten haben die Papierkarten gelitten. Einige müssen wir fortwerfen, sie sind zusammengeklebt und verschimmelt. Den grössten Teil können wir retten, indem wir sie mit dem Föhn trocknen.
Bevor wir zu unserer nächsten Überführung nach Tortola fliegen, gehen wir mit Matt und Mike nochmals zum Mexikaner.
Wir fliegen von Norfolk über Newark und San Juan auf Puerto Rico nach Road Town, Tortola. Für die letzte Etappe von San Juan nach Tortola sitzen wir in einer Zweipropeller Cesna, zusammen mit zwei anderen Passagieren und dem Piloten. Unser Gewicht müssen wir genau angeben. Das Gepäck wird in einer separaten Maschine geflogen. So tief und nahe sind wir bis jetzt noch nie über die Inseln geflogen. Wir geniessen die Aussicht.
Eine Oceanis 41 wartet auf uns. Das Prozedere ist immer das Gleiche: Boot checken, einkaufen, Wetter- und Windvorhersagen analysieren, Route planen und ausklarieren. Am 27. Februar gehts los. Wir haben vier Tage Zeit um die Bahamas Insel Mayaguana zu erreichen. Im Norden der USA braut sich ein kräftiges Tief zusammen, welches auch in den Bahamas starken Nordwind bringt. Segelnd und motorend erreichen wir diese Insel rechtzeitig. Ein 200 Liter Fass gefüllt mit Diesel an Bord hilft, sonst wäre es knapp geworden. Tortola befindet sich nach IRMA im Wiederaufbau. Ein grosser Teil des Stroms wird immer noch mit Benzingeneratoren erzeugt, deshalb sind Fässer und Kanister Mangelware. Wir selber können keine Behälter auftreiben, zum Glück hat Ron ein paar Fässer im Garten eines Freundes gelagert.
In Mayaguana liegen wir gut geschützt vor Anker, doch ohne Beiboot sitzen wir fest. David und Mic vom Nachbarschiff nehmen uns mit ihrem Dinghi an Land. Wir sind in den Bahamas noch nicht einklariert, doch das interessiert hier niemanden.
David organisiert mit dem Mayor (Bürgermeister) Scully eine sonntägliche Inseltour. Über Funk hören wir, dass noch ein Pneu am Auto gewechselt werden muss. Scully bittet zudem um Benzin, da die Tankstelle am Sonntag geschlossen ist. David und Mic holen uns ab und bringen das Benzin gleich mit.
Zuerst fahren wir auf den höchsten Punkt der Insel, dem einzig wirklich historischen Teil der Insel. Hier landete die Thor-Kapsel, welche von der NASA in den Orbit geschossen wurde und die ersten Farbfotos der Erde aufnahm. Wir steigen auf den ehemaligen amerikanischen Beobachtungsturm, mittlerweile eine Ruine, über eine steile Steintreppe ohne Geländer. Von hier oben sieht man nicht nur den Himmel, sondern auch fast die ganze Insel.
Am Flugplatz liegen einige Flugzeugwracks, konfiszierte Drogenflugzeuge, welche, als die Piste neu gemacht wurde, einfach mit dem Bagger zur Seite geschoben wurden. Sie sind die zweite Touristenattraktion der Insel. Im Nordwesten besuchen wir die einzige Hotelanlage, luxuriös und leer. Sie bietet Wellness und Bonefishfishing an.
Das wäre dann auch schon das Ende der Tour auf dieser 270-Seelen Insel, wenns da nicht noch eine Bar gäbe.
Scully stellt uns zwei seiner Brüder vor, die drei gleichen sich überhaupt nicht. Er selber hat drei Kinder mit drei verschiedenen Frauen auf drei verschiedenen Inseln, moralisch vielleicht fragwürdig, doch vom eingeschränkten Genpool her ein absolutes Muss.
Der Ausläufer der Kaltfront ist vorbei. Wir ziehen weiter nach Westen, in den Exuma Sound und durch den Ship Chanel in die Exuma Banks. Bei gutem Licht von hinten segeln wir mit der Genua durch die Korallenblöcke. Die elektronischen Karten helfen nicht viel, wir halten Ausschau nach den Korallenblöcken und umfahren sie. Da die nächste Kaltfront im Anmarsch ist, gehen wir auf Höhe Nassau ein paar Meilen nach Osten, um geschützt hinter der Insel Meeks Patch bei Eleuthera zu ankern. Nach einem Tag dreht der Wind. Wir entdecken Royal Harbour als kleine geschützte Ankerbucht. Dann sind es noch 60 Seemeilen bis zu den Abacos und 20 Seemeilen mehr bis zu unserer Destination Marsh Harbour. Am 10. März um 10 Uhr klarieren wir ein. Diese Überführung dauert länger als geplant. Während der letzten Tage sind Früchte und Gemüse rationiert. Wir haben genug Reis, Mehl und Teigwaren dabei. Am Schluss ist alles aufgegessen.
Toja landet am Montag 12. März in Miami, wir auch. Ihr Flug hat Verspätung, unserer auch. Als wir endlich im Hotel eintreffen, liegt Toja schlafend im Bett. Den nächsten Tag verbringen wir gemeinsam in Miami. Toja möchte Wärme, doch Great Bridge kann dies noch nicht bieten. Sie bleibt für eine Woche in den Everglades und wir rasen zurück zur Maselle um mit dem Motor fertig zu werden.
Es regnet, es ist kalt und wir wollen in den Süden. Alles dauert wieder länger als gewollt und geplant. Wir streiten mit Chip über das Auspuffsstem. Er lötet Kupferrohre zusammen und will keinen Auspuffschlauch mehr, da er diesen für die Motorenwässerung verantwortlich macht. Wir geben klein bei, er ist der vermeintliche Experte. Die ersten Motorenchecks laufen gut. Dann rutscht die Wellenkupplung auf der Antriebswelle durch. Der Messingstift zwischen Wellen- und Kupplungsnut ist gebrochen. Wie so oft sagt Chip: No problem, we will make it happen. Wir bohren ein Loch durch die Welle und fixieren die Kupplung mit einem Bolzen. Der Motor läuft im Gegenuhrzeigersinn, unsere Schraube ist aber rechtsdrehend. Um vorwärts zu kommen müssen wir im Rückwärtsgang fahren. Internetrecherche und Anfrage beim Getriebehersteller beruhigen uns. Dieses Getriebe dreht in beide Richtungen gleich.
Toja kommt in Great Bridge an und will in den Süden, wir auch. Uns reichts hier. Zudem ist ein Foto von Gabrielle in der neuen Touristenbroschüre Visitor's Passport, your guide to Chesapeake VA, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass wir hier zu lange gewesen sind.
Leinen los am Samstag, 24. März 2018. Wir motoren auf dem Intracoastal Waterway. Chip kommt mit, Linda erwartet uns in Coinjock. Gemeinsam essen wir zum Abschied im Restaurant. Es gibt Grits (Polenta) mit Speck und Shrimps oder fritierten Wels, Südstaatenspezialitäten.
Am nächsten Morgen motoren wir für zwei Stunden, dann kommt Wind auf und wir können endlich segeln. Der Nordwind bringt uns schnell über den Albemarle Sound nach Süden. Er ist aber so kalt, dass wir sämtliche Thermowäsche, Faserpelze, Kappen und Handschuhe hervorholen und uns dick einpacken. Wir hätten nicht früher hier sein dürfen, denn die Alligator River Swing Bridge ist erst seit einer Woche nach Reparaturen wieder geöffnet, Glück gehabt. Nachts ankern wir ruhig im Pungo River und heizen, es ist nötig. Wir bleiben auf dem ICW, segeln im Pamlico und Neuse River, motoren an Beaufort NC vorbei in Richtung Wilmington.
Am vierten Tag, wir haben gerade Swansboro passiert, qualmt es aus dem Motorenraum. Schnell lassen wir den Anker runter und stellen den Motor ab. Da entdecken wir die Bescherung. Durch die Vibrationen sind die Bolzen des Auspuffs gebrochen. Wir sind nur mit Flut sicher, kentert der Strom, stranden wir. Nach ein paar Anläufen springt der Motor widerwillig an. Es tönt nicht gut. Haben wir schon wieder Wasser im Motor? Mit losem Auspuff, die heissen Abgase räuchern unser Schiff aus, fahren wir sechs Seemeilen zurück in die nächste Marina. Beim Abstellen sehen wir, wie Wasser zwischen Motorblock und Auspuff rausspritzt. Wir haben also wieder Wasser im Motor. Zudem sind unsere Bilgenschläuche durch die Hitze geschmolzen. Stinkesauer ordern wir Chip zu uns. Die Caspers Marina können wir nicht weiterempfehlen, sie ist teuer, das Personal ist unfreundlich. Glücklicherweise ist hier eine Basis von Tow Boat US. Sofort schliessen wie eine Gold Mitgliedschaft für 190$ ab.
Chip weiss auch nicht weiter. Wir wollen diesen Motor nicht mehr. Wir einigen uns, dass er uns Geld zurückgibt, den Motor verkauft und uns einen Anteil am Erlös erstattet. Was für eine Verschwendung an Zeit, Geld und Nerven.
Tow Boat US schleppt uns am nächsten Tag, Freitag, 30. März die dreissig Seemeilen zur Bock Marine bei Beaufort ab. John ist schon um sieben Uhr in der Früh da und zieht uns bis vor Morehead. Er übergibt uns an einen etwas grösseren Schlepper. Dessen Crew ist so in Eile, dass sie eine Abkürzung ausserhalb des Fahrwassers nimmt. Wir rufen sie über Funk auf, zu spät. Wir berühren Grund, zum Glück nur Schlamm. Was für Idioten, doch sie schleppen uns natürlich gleich wieder frei. Im Core Creek werden wir an den dritten, kleineren Schlepper übergeben, dieser bringt uns in die Bock Marine. Mit viel Strömung, viel Wind und viel Hektik sind wir um 12 Uhr am Steg festgemacht. Die Professionalität der Tow Boat Aktion von Steg zu Steg hat uns nicht überzeugt, aber auch nichts gekostet.
Bock Marine. 233 Core Creek, Beaufort, NC 28516 ist unsere neue Adresse. Für wie lange?
Hier ist es wärmer, doch nicht wirklich warm. Thomas fährt mit Toja nach Florida und verbringt mit ihr ein paar Tage in den Nationalparks. Gabrielle bleibt hier und macht sich schlau. Wir sind total in der Pampa. Die nächste Tankstelle ist zwei Landmeilen, die nächste Stadt Morehead 15 Meilen entfernt. Die Marina stellt einen Courtesy Car für jeweils zwei Stunden zur Verfügung.
Das Leben ist nicht immer Schokolade, aber ihr habt ja jetzt unsere Adresse.
Ein YANMAR 3GM30 ist unsere neue Wahl. Bei Jim in New Bern kaufen wir dieses etwas ältere, total revidierte Modell. Wir entscheiden uns dafür, weil dessen Technik simpel ist und es auf der ganzen Welt Ersatzteile gibt. Jim's Shop sieht sauber und aufgeräumt aus.
Mittlerweile wissen wir, dass ein luftgekühlter Motor wie der Yanmar 3TNV88 sich schlecht marinisieren lässt. Wir bauen die Maschine aus und Chip holt sie am Samstag, den 7. April ab.
Heute regnet es, morgen scheint die Sonne und übermorgen kommt Maselle aus dem Wasser raus.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas