Der Abschied von Inagua fällt uns leicht. Einzig in der Bibliothek und im Supermarkt halten wir uns gerne auf. Sie sind mit Aircon runtergekühlt. In der Bibliothek erkälten wir uns fast, doch ihr Internet ist gut. Draussen ist es schwül, heiss und kein Lüftchen weht. Gabrielle fotografiert eine Krabbe mitten auf der leeren Strasse und schon wird Thomas von dutzenden Mücken angegriffen. Diese Plagegeister kommen leider mit aufs Schiff.
Ohne Wind fahren wir los. Kaum sind wir um die Südwestspitze von Inagua rum, müssen wir schon einem Gewitter ausweichen: 1. Reff, 2. Reff, 3. Reff, Gross runter. Wir werden nass, dafür segeln wir mit 8-9 Knoten. Unser Ziel liegt östlich. Der Wind kommt aus Osten. So kämpfen wir uns gegen Wind und Wellen und Strom vorwärts. Zum Glück läuft Maselle gut am Wind, doch aufkreuzen bedeutet immer doppelter Weg.
Wir segeln der Küste von Haiti und der Dominikanischen Republik entlang, da hier die Wellen etwas kleiner sind. Abends und in der Nacht entladen sich gewaltige Gewitter über Land, und wir flüchten aufs offene Meer. Diese Taktik bewährt sich, nur einmal kriegen wir voll was ab. Ohne Grosssegel, die Genua ins dritte Reff gerollt, sausen wir dank eines glücklichen Winddrehers in Richtung Ziel. Blitze erleuchten den Himmel, doch keiner erreicht das Wasser.
Wir sind von Claudia und Michel gewarnt worden, dass es entlang dieser Küste viele Baumstämme und treibendes Holz habe. Wir treffen jedoch "nur" auf sehr viel Plastik- und Styroporabfall. Nach 700 Seemeilen und sechseinhalb Segeltagen erreichen wir Mayaguez im Westen von Puerto Rico, direkt wärens 400 Seemeilen gewesen.
Bevor wir an Land dürfen, müssen wir unsere Ankunft telefonisch dem Zoll melden. Die USA sind schon ein komisches Land: Auf St, John, US Virgins, wurden unsere Fingerspitzen und die Iris gescannt. Nichts davon in Puerto Rico, dafür müssen wir uns in jeder Region telefonisch anmelden. Das machen wir von einer Bar, einem Restuarant oder Hotel aus, da wir die Toll Free Nummer über unser Natel bezahlen müssen. Später in St. Croix, US Virgins, will der Zoll gar nichts von uns, wir müssen nicht mal vorbei.
In Mayaguez können wir mit dem Dinghi direkt an den Strand vor dem Supermarkt fahren. Als wir mit unseren Einkäufen wieder ablegen, schwimmt vor uns ein Baumstamm vorbei. Der Baumstamm atmet aus und taucht ab. Wir sehen die runde Schwanzflosse einer Seekuh, eine Manati.
Uns fällt auf, dass die Häuser in Puerto Rico rundum mit Gitter versehen sind, manchmal auch mit Hundewache. Darauf angesprochen, erzählen uns die Puerto Ricaner, dass es hier gleich gefährlich sei wie in New York oder Chicago. Schuld daran seien die Drogen. Uns wird überall geraten, manche Gegenden abends zu meiden. Kein Problem, für uns Yachties ist 21 Uhr schon wie Mitternacht.
In der Bucht von Boqueron ist am Samstag ganz viel los. Überall ertönt laute Musik, der Strand ist voller Sonnenschirme und Liegestühle, übers Wasser brettern Motorboote und Jetskis, im Wasser liegen die Einheimischen mit ihren Drinks, das Dorf ist zum Bersten voll. Wir empfinden die Stimmung etwas eigenartig, bis wir merken, dass wir in einen grossen Schwulen- und Lesbentreff geraten sind. Die nächtliche Technoparty verpassen wir, denn vor neun Uhr sind wir ja zurück auf dem Schiff.
In Ponce gehen wir seit langem wieder mal in eine Marina, mieten ein Auto, erkunden die Insel und wandern ein wenig im Nationalpark. Puerto Rico ist üppig grün, die Auswahl an frischem Obst und Gemüse ist gross und der Kaffee ist gut. Doch leider ist auch diese US Dependance ein Plastikland. Beim Einkaufen wird alles in Plastiksäcke eingepackt, ein Kürbis bekommt sogar zwei. Nun sind wir bis ans Ende unserer Reise mit Abfallsäcken versorgt. Im Restaurant servieren sie das Essen auf Plastiktellern, falls es doch mal Porzellanteller gibt, ist sicher das Besteck aus Plastik. Bier im Offenausschank gibts nur in Plastikbecher, Take away oder Selfservice im Styroporbehälter.
In den Mangroven von Jobos springen ein paar erschreckte Fische ins Kajak, und zwar so, dass sie zwischen dem Sitz und Thomas Rücken unter sein Po und seine Beine rutschen und dabei weiter zappeln. Thomas kreischt wie ein Mädchen, rettet aber alle Fische.
Den Sonntag Nachmittag verbringen die Puerto Ricaner draussen mit Freunden und Familie. In Kioskos gibts Essen und Trinken, meistens spielt auch eine Musik und es wird getanzt. Am Strassenrand kaufen wir eine Brotfrucht. Die Verkäuferin bietet uns an, dass ihre Mutter diese für uns kocht. Nach ihrem Rezept bereiten wir sie selber zu: schälen, in Stücke schneiden, im Öl anbraten. Brotfrucht schmeckt wie eine Mischung aus Marroni und Kartoffel. Ohne Brotfrucht hätte es übrigens keine Meuterei auf der Bounty gegeben.
Die letzten Meilen hart am Wind segeln wir von Vieques nach St. Croix.
Im Hauptort Christiansted werfen wir in der Dunkelheit den Anker gleich neben dem Fahrwasser. Am Tag stellen wir dann fest, dass die Kette über ein versunkenes Schiff läuft, glücklicherweise ist dieses aus Polyester und nicht aus Stahl. Wir bleiben eine knappe Woche. Hier gefällt es uns. Bei Steve von der Gallow Bay Marina stöbern wir durch seine Occasionecke und finden Stoffreste, einen Autopiloten, eine Segeltasche und Seekarten. Es ist ein spezieller Laden. Der grosse Kühlschrank ist mit Bier gefüllt und im Fernseher läuft die Fussball EM. Hier trifft man sich. Die Amis verstehen die Regeln des Soccers nicht ganz, doch 90Minuten Sport ohne Werbeunterbrechung finden sie toll. Wir sehen die Schweiz gegen Polen verlieren.
Gabrielle entdeckt ihr Talent und näht für Anna und die Pinne einen Sonnen- und Wetterschutz mit der kleinen Handnähmaschine.
Wir nehmen teil an den kulturellen Highlights von Christiansted: Ein Jazzkonzert im Park und einem Einsiedlerkrebswettrennen.
Bis 1917 gehörten die US Virgins zu Dänemark. Deshalb ist vor allem in St. Croix noch einiges an alter Bausubstanz vorhanden.
Nach einer schnellen Passage erreichen wir Bonaire. Für die 420 Seemeilen brauchen wir keine drei Tage. Das Segeln ist angenehm, auch wenn wir pro Wache ein- bis zweimal von einer bösen Welle von der Seite angespritzt werden. Eine Welle schmeisst sogar den Dampfkochtopf vom Herd, zum Glück war dieser verschlossen. Wir kommen schon wieder im Dunkeln an. Ankern ist auf ganz Bonaire verboten. Wir wissen, dass sich vor Kralendijk ein Bojenfeld befndet, haben aber keine Ahnung wie besetzt und wie gut sichtbar diese Bojen sind. Ein paar Meilen vor dem Ziel suchen und finden wir eine Taucherboje, machen uns daran fest und schlafen erst mal eine Runde. Das Bojenfeld ist recht gut besetzt, mit Tageslicht jedoch finden wir problemlos einen freien Platz.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas