Auf dem langen Weg zum Flughafen in Newark bekommen wir das letzte warme Rot des Indian Summers mit.
Viviane hat uns die SWISS Flüge in die Schweiz organisiert. Beim Einsteigen ins Flugzeug nimmt uns der Maître de Cabine beiseite, lässt uns ein Cüpli servieren und begleitet uns dann in die Business Class, wo uns das nächste Cüpli serviert wird. Leider dauert der Flug nach Zürich nur knappe sieben Stunden.
Die Ankunft in der Schweiz am 8. November ist ein kleiner Schock für uns. Es ist sehr kalt und es schneit. Doch überall werden wir sehr warm empfangen, ausser bei Stephanie und Toja, welche anscheinend Heizkosten sparen wollen. Oder sind wir einfach diese Temperaturen nicht mehr gewohnt?
Tojas Wohnung nehmen wir trotzdem oft und gerne in Beschlag.
Danke euch allen, die ihr uns beherbergt, eingeladen und bekocht habt. Aus Angst uns eine Fondue-Überdosis zu bescheren, habt ihr uns leider kein einziges serviert. Dafür gabs unter anderem Raclette und gutes Schweizerfleisch. Auch wenn wir uns in der Ferne zu Hause fühlen, kommen wir gerne zu unseren Müttern, Familien und Freunden heim.
Mit einem tränenden und einem lachenden Auge verabschieden wir uns am 6. Dezember. Viviane versüsst uns den Heimflug, denn sie ist mit an Bord und lässt uns First Class fliegen. Wir wären gerne noch etwas länger so bequem in der Luft geblieben, doch schon nach sieben Stunden müssen wir ins Cockpit um die Landung mitzuerleben. Wir fliegen der beleuchteten Skyline von Manhatten entlang, da wir nachts ankommen. Der Flugverkehr ist enorm. Über uns, vor uns, unter uns, rechts und links sehen wir die Lichter anderer Flugzeuge.
Mit dem Crewbus fahren wir ins Hotel, wo wir in Vivianes Zimmer übernachten können. Ihr Rückflug wird annulliert. Sie muss eine zweite Nacht bleiben und uns wird so ein gemeinsamer Tag geschenkt. Wir besichtigen New York im Schnelldurchlauf: One World Center und Ground Zero, Fähre nach Staten Island an der Freiheitsstatue vorbei, spazieren im Central Park, flanieren zwischen der 5th und 6th Avenue mit Abstecher zum Rockefeller Center und Empire State Building, Nachtessen beim Inder. Zum Abschluss schlendern wir am Ufer des Hudson Rivers auf der New Jersey Seite und blicken auf das beleuchtete Manhattan.
Zurück im Hotelzimmer bricht Hektik aus. Shane braucht uns in drei Tagen für eine Delivery von Tortola nach Marsh Harbour. Wir buchen das Mietauto um und brauchen drei Stunden um einen halbwegs günstigen Flug zu finden, was nicht ganz einfach ist so kurz vor Weihnachten.
Am Freitagabend, 8. Dezember sind wir zurück auf Maselle in Great Bridge. Wir packen um, die Mitbringsel aus der Schweiz werden verstaut und wir füllen die Koffer neu mit der Ausrüstung für die Überführung.
Am Samstagmorgen gewöhnen uns Linda und Chip wieder an die USA, sie laden uns zum Frühstück ein. Es gibt Eggs and Bacon, Waffeln und Blueberry Jelly und Filterkaffee.
Um Mitternacht fahren wir nach Washington los. Wir treffen auf den ersten Schnee. Zum Glück sind die Autobahnen geräumt.
Am Sonntagmorgen sitzen wir im Flugzeug, am Nachmittag landen wir in Tortola.
Endlich in der Wärme bringt uns ein Taxi zur Marina. Die Fahrt über die hügelige Insel dauert eine halbe Stunde. Wir sehen Häuser, notdürftig mit Blachen abgedeckt, umgestürzte Bäume, zerstörte Autos, abgerutschte Strassen, an Land geworfene, gestrandete und gesunkene Schiffe, alles Folgen von IRMA. Die Moorings Marina ist gefüllt mit beschädigten und entmasteten Schiffen. Einige Katamarane liegen kopfüber an Land. Sie bieten den Tornados, welche in Hurrikanen auftreten, eine grosse Auftriebsfläche und werden in die Luft gehoben. Ein Charterskipper erzählt uns, dass sein Katamaran im hintersten Winkel eines Hurrican Holes, gut festgezurrt in den Mangroven, so an Land geworfen wurde
Die von der Regierung verhängte nächtliche Ausgangssperre ist noch in Kraft. Die Versorgungslage ist gut, wir bekommen im Supermarkt alles was wir benötigen. Die Menschen arbeiten auf Hochtouren am Wiederaufbau und haben ihre fröhliche Stimmung nicht verloren.
Wir beziehen eine Beneteau 42, checken sie durch und warten zwei Tage lang auf die Zollpapiere. Wir klarieren im provisorischen Zollgebäude aus, das eigentliche ist ausser Betrieb. Eine grosse Fähre versperrt den Eingang, weil sie auf dem Zollpier liegt.
Wir machen uns auf den Weg, müssen uns aber nicht beeilen. So legen wir einen Schnorchelstopp bei den Indians ein. Die Fische vermissen die Chartergäste, die sie normalerweise füttern. Sie sind sehr aufdringlich und knabbern an uns. Für die Nacht ankern wir bei Norman Island. Am Morgen schnorcheln wir nochmals.
Gemütlich segeln wir mit achterlichen Winden bei 3-4 Beaufort in sechs Tagen zu den Abacos und geniessen die Sonne und das Leben in Shorts und T-Shirt. Unterwegs fangen wir eine Goldmakrele. Wir übernehmen eine neue Technik von Nigel, einem Deliveryskipper. Statt ein Blutbad im Cockpit zu veranstalten, schleppen wir den Fisch nach dem Kiemenschnitt am Schwanz angebunden durchs Wasser nach. Er stirbt schnell und wird fast so schnell ausgenommen, gebraten und gegessen.
Wir gönnen uns nochmals eine Nacht vor Anker bei Great Abaco, bevor wir das Schiff in Marsh Harbour abliefern.
Auf Maselle in Great Bridge holt uns der Winter wieder ein. Jeden Tag wird es kälter, langsam friert der Intracostal Waterway zu. Im Thrift Store (Secondhand Laden) kaufen wir Decken und Teppiche und isolieren damit unser Schiff innen und aussen. Täglich schlagen wir das Eis ums Boot frei. Der Ölofen brennt ohne Unterbruch, trotzdem sitzen wir oft mit einer Decke über den Beinen und einer Mütze auf dem Kopf möglichst nahe am Ofen.
Linda und Chip und alle vier Dockmaster erhalten zu Weihnachten schweizer Schokolade von uns.
Wir lernen Matt kennen, gehen mit ihm im Dismal Swamp spazieren und verbringen mit ihm und einem befreundeten Paar Silvester. Aus der Schweiz haben wir eine Fonduemischung mitgebracht, die wir mit etwas Kirsch aufpeppen. Auf diese Weise erlangen wir amerikanisch-kulinarischen Heldenstatus.
Das neue Jahr fängt mit einem Blizzard an. Ein Sturmtief zieht der Ostküste entlang und bringt uns Schnee, Eis und noch mehr Kälte. Der ICW ist total zugefroren, die Berufsschifffahrt stellt ihren Betrieb ein. Wir räumen den Schnee nicht vom Deck weg, er gibt uns eine zusätzliche Isolationsschicht. Drei Schiffe sind auf dem Weg in den Süden hier buchstäblich festgefroren. Mit ihren Crews trinken wir Tee im warmen Aufenthaltsraum.
Die stürmischen, nördlichen Winde haben das Wasser aus der Chesapeake Bucht geblasen, sodass auch bei uns der Wasserstand sinkt, und zwar so stark, dass wir eine Leiter suchen müssen, um überhaupt vom Schiff auf den Steg hochzukommen.
Joggen im Wald ist nun nicht mehr möglich, wir kaufen uns ein Abo im Fitnesszenter. Es ist täglich 24 Stunden geöffnet, meistens sind wir alleine oder fast alleine dort.
Wir wünschen euch allen ein gutes neues Jahr.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas