Matthew Town, Great Inagua, Bahamas, Donnerstag 2. Juni 2016
In Marsh Harbour folgt Einladung auf Gegeneinladung. Es ist gut alles langsam anzugehen, gemütlich einzukaufen, Leute zu treffen und die Abfahrt täglich zu verschieben. Wir treffen Birte und Wolfgang von der Tanamera. Sie schleppten uns mit ihrem Dinghi schon auf Barbados ab, als unser Aussenborder streikte.
Am Sonntag, 8. Mai segeln wir schliesslich einen kurzen Schlag nach Hopetown weiter. Auf Kanal 16 ist einiges los. Zuerst hören wir eine PAN PAN Meldung. Ein Schiff ist im Whale Cut mit einem versunkenen Gegenstand kollidiert und macht nun viel Wasser. Die Stimme am Funkgerät wird immer panischer, bis sich endlich ein Powerboat mit einer starken Pumpe auf den Weg zum Havaristen macht. Kurz darauf folgt eine SECURITE Meldung, dass schon zwei Schiffe im Whale Cut beschädigt wurden. Wir wollen da nicht durch, Nadine und Tomas jedoch schon. Wir warnen sie. Sie gehen trotzdem durch und scannen das Wasser mit Adleraugen. Alles geht gut. Einen Tag später bekommen sie über Funk mit, wie ein 45Fuss Katamaran im Whale Cut ein MAYDAY absetzt. Die Küstenwache zieht ihn auf eine Sandbank, da die starke Wasserpumpe schon andersweitig in Gebrauch ist.
Etwas später wird der Kanal 16 vom Dinghischlepper ESCAPE in Beschlag genommen. Sein Beiboot ist ihm irgendwo abhanden gekommen. Nun sucht er es verzweifelt. Schade haben wirs nicht gefunden, den Yamaha 2PS Aussenborder hätten wir gut gebrauchen können, das Schlauchboot hätten wir verkauft.
In Hopetown besichtigen wir einen der ganz wenigen noch funktionierenden Leuchttürme auf den Bahamas. Vielleicht liegt es daran, dass er noch wie vor hundert Jahren mit Petrol befeuert und der Drehmechanismus wie bei einer Pendeluhr von Hand aufgezogen wird.
In Governors Harbour auf Eleuthera sind die Menschen so herzlich und lieb, grüssen immer ganz freundlich und küssen Gabrielle die Hand. Auf dem Rückweg vom Friday Night BBQ am Strand gehen wir bei den Kanadiern Patricia und Jim auf ein Glas Wein vorbei. Sie bieten uns ihre Boje vor ihrem Haus in Halifax an, falls wir vorbeikämen...... Ein grosser Denkprozess setzt ein.
Am nächsten Tag spazieren wir lange an der Pink Beach und lüften den Kopf. Abends werden wir mit einem green flash (die letzten Sonnenstrahlen am Horizont blinken grün) belohnt und ein Snapper springt in unsere Pfanne. Unser Ziel bleiben die ABC Inseln.
Vor dem Rock Sound streikt unser Echolot. Thomas wirft das Handlot und wir tasten uns langsam zum Ankerplatz vor. Nach mehrmaligem Zurücksetzen der Werkeinstellungen funktioniert das Lot wieder. Ein paar hundert Meter inlands beschnorcheln wir das berühmte Ocean Hole. Es entpuppt sich als eine mit Meerwasser gefüllte Einsturzdoline. Das Wasser ist grün, trüb und pipiwarm. Anfänglich sehen wir noch ein paar Fische, später nur noch Plastik- und Glasflaschen, Aludosen und Autoreifen. Das hat sich aber gelohnt.
Wir segeln weiter in Richtung Georgetown über die Exuma Bank. Black Point Settlement ist die zweitgrösste Ortschaft Exumas. Wir schlendern den ca. fünfzig Häusern entlang, mehr hat es nicht, Post, Polizei, Klinik, zwei Restaurants, eine Telefonkabine und Schule inbegriffen. Die Schule ist gerade aus und Kinder in Schuluniformen, die älteren Mädchen und Knaben mit Krawatte, springen raus. Wir werden von den jüngeren umringt. Sie sehen Gabrielles Fotoapparat und wollen nicht fotografiert werden, sondern unbedingt selber Bilder schiessen. Einige gelingen. Im Schatten von Bäumen flechten zwei Frauen Körbe und Taschen. Wir halten einen Schwatz und kaufen eine Tasche. Vor dem Fährsteg liegen hunderte von Conchs (Flügelschnecke) zusammengebunden im Wasser. Nachmittags werden diese auf einen röchelnden Kahn geladen. Diese Ladung ist für Nassau bestimmt, falls sie denn ankommt.
Mit dem Sonnenuntergang werfen wir den Anker in Little Farmers Cay. Noch während des Manövers werden wir von tausend Moskitos attakiert. Dies ist der Preis für eine ruhige, windgeschützte Bucht. Zum Glück gibts Moskitospray und Moskitocoils.
Wie wir uns der Einfahrt zu Elisabeth Harbour nähern, erleben wir ein spannendes Schauspiel. Mehrere Goldmakrelen springen aus dem Wasser. Sie werden von einem Marlin (Schwertfisch) gejagt. Deutlich können wir seinen grossen Kopf uns sein riesiges Schwert sehen. Er knallt damit die Goldmakrelen immer wieder auf die Wasseroberfläche, bis diese bewusstlos und leichte Beute sind. Thomas schätzt das Tier auf vier Meter, Gabrielle auf einen Meter fünfzig.
In Georgetown kaufen wir einen neuen Aussenborder, einen Yamaha 2PS 2Takt. Wir helfen Claudia und Michel von der Kassiopeia umzuankern. Nach dem Manöver sagen beide:“Gut gemacht Karl“. Damit meinen sie ihren Motor. Wie bei uns hat alles seinen Namen. Ihr alter Aussenborder hiess John Wayne, weil er so qualmte, ihr neuer Chuck Norris, weil er fast ohne Sprit läuft. Geri ist unser alter Aussenborder, der neue heisst Anna. Charlotte und Serge von der Kuaka, Schweizer unter Neuseelandflagge, haben wir schon in Guadeloupe kurz getroffen. Leider bleibt es auch hier kurz, denn Charlotte muss ins Spital nach Nassau fliegen, mit Verdacht auf Blinddarmentzündung. Hilfsbereit wie die Leute in den Bahamas sind, wird ihr Flug organisiert und in Nassau wird sie abgeholt.
Wir verteilen fleissig unsere digitalen Seekarten, sie waren so teuer, dass sie ruhig für mehrere Schiffe reichen dürfen. Unsere Ferien in den Bahamas machen sich bezahlt, wir gelten als Bahamas-Experten und werden viel konsultiert. Thomas installiert die Seekarten auf dem Computer von Ricardo aus Argentinien. Seine Frau Adriana bereitet uns ein leckeres Essen zu. Wir sitzen drinnen. Ein Gewitter zieht vorbei und es windet stark. Gabrielle will vor dem Essen einen Kontrollblick auf Maxime mit Anna werfen. Sie ist ja erst ein paar Stunden bei uns. Oh Schreck, beides weg! Sofort springen wir in Ricardos Dinghi und folgen Wind und Wellen in dieser dunklen Nacht. Wir haben Glück, Maxime ist weiss und wir finden sie schnell. Ricardo hatte schon Angst, dass er sie nicht richtig festgebunden hätte, doch die Leine ist durchgescheuert.
Mit wenig Wind und dann wieder viel Wind segeln wir weiter. Wir fangen zwei Barrakudas, die wir zurück ins Meer werfen. Niemand hier isst diesen Fisch. Alle haben Angst vor Ciguatera, wir auch. Nachts sehen wir Meeresleuchten und Wetterleuchten, um uns herum hat es viele Gewitterzellen. Mit Hilfe des Radars weichen wir diesen aus. Ein Autoüberbrückungskabel vom Achterstag zur Badeleiter dient als Blitzableiter. Alle elektronischen Geräte verstauen wir im aufklappbaren Alubackofen. Sind wir zu vorsichtig? Nein! Auf Crooked Island hören wir, wie unser Schiffnachbar den Helikopter der US Coast Guard aufruft und einen Blitzschlag meldet. Er ist am Morgen getroffen worden. Zum Glück sind alle wohlauf. Er bittet die Coast Guard eine Meldung an seine Versicherung zu machen.
Das Wetter bleibt unbeständig. Wir reffen, reffen aus, motoren, reffen und reffen wieder aus. Zwischendurch weichen wir Gewittern aus. Morgens um vier Uhr erreichen wir endlich Matthew Town, den Hauptort von Great Inagua. Nur wenige Schiffe kommen hierhin. Die Insel ist trostlos und hat nichts zu bieten ausser Salzgewinnung und Flamingos. Beides sehen wir nicht, denn das Auto des Parkrangers ist kaputt. Alles wirkt vernachlässigt und armselig. Viele Frauen sind sehr dick und der grosse Teil der Männer hat Alkohol-Kugelbäuche. Wir sehen, wie nachmittags um drei schon Bier mit Vodka getrunken wird.
Im Hafen liegt neben drei konfiszierten Schmugglerbooten ein haitianischer Seelenverkäufer. Erstaunlich, dass der es bis hierhin geschafft hat. Wir sehen weder Früchte noch Gemüse. Seine armselige Ladung, Reis, Knoblauch, Eier und Softgetränke liegen auf dem Steg neben Öllachen. Die Kontrollen hier sind streng, auch wir erhalten Besuch von der Defence Force.
Inagua verlassen wir gerne. Unser nächstes Ziel ist Puerto Rico.
Die Bahamas haben uns sehr gut gefallen. Obwohl die Inseln vor der US Haustüre liegen, haben wir nie das Gefühl, dass die Menschen vom US Dollar verdorben sind. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ist allgegenwärtig. Selten sehen wir ein Dinghi am Steg, das abgeschlossen ist. Wir wollten ja nur kurz bleiben, und sind nun schon über einen Monat hier. Nächsten Winter kommen wir zurück und werden dann auch die tollen Schnorchelplätze finden.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas