In Morehead City klarieren wir aus, gemeinsam mit Douglas. Unsere Cruising Permits für die USA sind abgelaufen und sowohl er wie auch wir wollen nach Nova Scotia. Seit wir den Kanadier Douglas getroffen haben, hört er nicht auf uns diesen Teil seines Heimatlandes schmackhaft zu machen. Von SANCARA bekommen wir den nautischen Reiseführer, die elektronischen Karten besitzen wir schon. So steht unserer Reise nichts im Wege.
Der Beamte der Customs and Border Patrol ist überaus freundlich. Ohne viele Fragen stellt er uns die Ausklarierungspapiere aus und wir bezahlen die 19$. Unsere Pässe will er gar nicht sehen, wir sind ja schliesslich schon im Lande. Er erklärt uns, dass wir auf dem Weg nach Kanada an der US-Küste ankern dürfen, denn - don't put yourself in danger. Falls wir jedoch an Land möchten, müssten wir wieder ein- und ausklarieren und 37$ bezahlen. Fünfzehn Tage nach dem Ausklarieren, können wir bei einer erneuten Einreise in die USA ein weiteres Cruising Permit für ein Jahr bekommen.
Wir verabschieden uns von den Bocks, Nancy, Kenny und Alex, sowie von ihren Mitarbeitern John, Randy und Dayle mit einem Schoggikuchen.
Am Freitag, 22. Juni werfen uns Anna und Reinhard die Leinen aufs Schiff. In dem Moment sehen wir eine grosse Barke den Adams Creek hochtuckern, rasch werfen wir unsere Leinen wieder zurück, warten bis der Schleppverband vorbei ist und wiederholen das Manöver. Die Crew der SANCARA ist auch nicht abergläubisch und fährt kurz nach uns, an einem Freitag, los.
Aus dem Badestop am Cape Lookout wird nichts, denn die Wetterprognosen geben uns nur drei Tage günstigen Wind, also segeln wir direkt ums Cap Hatteras in den Norden. Pete, unser Pacific Windpilot, kommt sofort zum Einsatz und meistert seine Aufgabe von Anfang an bestens.
Die erste Nacht trägt uns der Golfstrom schnell vorwärts, es ist allerdings eine ungemütliche Schaukelfahrt, dafür ist das Meeresleuchten grandios.
Am Samstag, auf der Höhe Norfolks, ziehen Gewitter über uns, es regnet stark, später bleibt der Wind weg. Wir motoren und setzen den Autopiloten ein, er quittiert den Dienst jedoch sofort. Zum Glück haben wir uns vor zwei Jahren in St. Croix (USVirgins) bei Steve einen Ersatz second hand gekauft. Dieser funktioniert einwandfrei.
Am Samstagmorgen beisst endlich wieder mal was an, ein Adlerfisch. Er wird sofort gebraten und gegessen. Danach werden wir gebissen. Da wir nahe an der Küste sind, finden stechende Fliegen den Weg zu uns. Wir können nicht mehr in Ruhe sitzen, lesen und schlafen. Es dauert zwei Tage, bis wir die letzte mit der Fliegenklatsche getroffen haben.
Am Sonntagabend wollen wir in Ocean City sicher ankern. Schon die Einfahrt lässt unser Herz höher schlagen, denn die Strömung ist sehr stark und der betonnte Kanal eng. Der eingetragene Ankerplatz befindet sich vor einer tiefen Brücke, da zieht die ganze Strömung hin. Die vielen Freizeitkapitäne mit ihren Highspeed Motorbooten machen uns den Platz nicht schmackhafter. Wir fahren wieder raus aufs Meer und setzen die Segel. Die angekündigte Kaltfront hat sich aufgelöst. Für uns gibt es einen weiteren Nachtschlag und einen darauf folgenden gemütlichen Segeltag. Dienstag Morgen um drei in der Früh ankern wir bei Sandy Hook vor New York. Die Annäherung ist eindrücklich, schon von weitem sehen wir die Skyline und der Himmel ist voller Flugzeuge.
Nach ein paar Stunden Schlaf segeln wir im Süden von Long Island weiter. Der Wind ist schwächer als angesagt, trotzdem machen wir gute Fahrt und passieren am nächsten Nachmittag den Kanal in den Salt Pond von Block Island.
Zwei Tage und zwei Nächte liegen wir gut geschützt vor Anker. Eine Kaltfront zieht vorbei. Wir bleiben im Schiff. Als wir am Morgen rausschauen, sehen wir unsere Nachbarschiffe kaum noch, dicker Nebel ist aufgezogen. Daran müssen wir uns wohl hier und auch weiter nördlich gewöhnen.
Sobald die Sicht klar ist, gehen wir weiter. Windrichtung und Windstärke stimmen, wir setzen den Parasailor am Morgen und bergen ihn erst abends wieder.
Alles segelt in der Buzzards Bay, südlich des Cape Cod Kanals. Hier ist segeln wieder ein Sport, die Schiffe sind kleiner, individueller, oft älter und aus Holz. Es ist Samstag, schönes Wetter, guter Wind, wer ein Schiff hat ist draussen. Die Szenerie erinnert uns an ein Wochenende auf dem Neuenburgersee. Ankerplätze sind rar, denn die Buchten sind vollgestopft mit Bojen und da hängen auch Tausend Schiffe dran. Wir müssen weiter draussen, nicht so geschützt ankern. Zum Glück nimmt nachts der Wind ab.
Wir motoren am Sonntag durch den Cape Cod Kanal nach Norden. Die 12 Seemeilen legen wir schnell zurück, der Flutstrom schiebt uns mit acht Knoten vorwärts. Am Ufer sehen wir viele Fischer, schöne Häuser, Spaziergänger, Hündeler, Fahrradfahrer und Jogger, Sitzbänke und Campingplätze. Viele Amerikaner haben Ferien, denn am Mittwoch haben wir den 4. Juli, den US-Nationalfeiertag. Aus dem Kanal raus, setzen wir die Segel. Vor Province Town tauchen zwei Seehunde auf und ein Grindwal schwimmt vorbei. Diese Stadt wollen wir auf dem Rückweg anschauen. An Land möchten wir jetzt nicht, sonst müssten wir einklarieren. Der Kinderbadewannenfischthermometer gibt uns die Wassertemperatur an. Obwohl wir ihm nicht ganz glauben, er zeigt 24°C, springen wir ins Wasser. Das Bad ist viel angenehmer als erwartet, google hat uns 16°C vorhergesagt.
Während des 272 Seemeilenschlags nach Shelburne in Nova Scotia sehen wir nicht so viel. Von morgens um fünf bis abends um zehn ist es hell, doch oft ist der Nebel so dicht, dass die Sichtweite keine hundert Meter beträgt. Mehrmals hören wir ein Schiff und sind froh seine Fahrt auf dem Radarbildschirm mitverfolgen zu können. Wir lieben dieses Gerät. Entspannend wirkt auch unser AIS-Empfänger. Mit ihm können wir alle grösseren Schiffe in unserer Umgebung orten und falls nötig über Funk aufrufen. Wir nähern uns der Küste Shelburnes in Faserpelz, Oelzeug und Kappe. Der Nebel verschwindet. In Landnähe bläst uns ein sehr warmer Wind entgegen. Wir kreuzen die letzten acht Meilen die Bucht hoch, entledigen uns nach und nach unserer Kleiderschichten. Wir ankern in Shorts und T-Shirt. Der Badewannenfisch zeigt 24°C an und wir springen ins Wasser – herrlich. Eine Hitzewelle erreicht den Osten Kanadas, Shelburne hat Hitzewarnung am Mittwoch, den 4. Juli.
Zum Einklarieren in Kanada rufen wir die CBSA, Canadian Border Services Agency, an, beantworten ein paar Fragen am Telefon. Wir werden angewiesen zu bleiben wo wir sind und nicht an Land zu gehen, Zöllner werden zu uns geschickt. Es dauert eineinhalb Stunden bis die Beamten aus Yarmouth in Shelburne sind. Es dauert eine Weile, bis wir realisieren, dass sie nicht mit dem Schiff, sondern mit dem Auto kommen. Sehr hilfreich für uns ist es, dass sie, beim Hafen angekommen, das Blaulicht anstellen und hupen. Sofort nehmen wir den Anker hoch und fahren an den Steg. Die Kanadier lachen, heissen uns willkommen und die Formalitäten sind schnell erledigt.
Tags darauf erkunden wir das Städtli. Wir schlendern entlang der historischen Wasserfront und besuchen die drei Museen. Das Dory Museum gefällt uns am besten. Dories sind ca. 4.50m lange Ruderboote, mit denen früher gefischt wurde, sei es Hummer in der Bucht oder Dorsch bei der Neufundlandbank. Ihr Name geht zurück auf Boote auf dem Fluss Douro in Portugal, die Engländer haben die Bauweise übernommen. Hier im Museum werden noch Dories traditionell von Hand hergestellt. Früher brauchten dafür drei Männer einen Tag, heute brauchen zwei Männer sechs Wochen.
Jeden Donnerstag findet abends eine Segelregatta statt. Für die Zuschauer gibt es im Yacht Club Hamburger. Da gehen wir mit Stephanie und Drew von der LA VITA hin, sie lernten wir vor einem Jahr in Great Bridge VA kennen.
Anschliessend ziehen wir alleine weiter, denn jeden Donnerstag gibt es ein gratis Konzert. Zu Beginn sitzen alle Leute brav da, es dauert eine Weile, bis getanzt wird. Wir lernen Annette und David kennen. Sie laden uns und ein paar Freunde nach dem Konzert zu sich in den Garten ein. Sie servieren hervorragenden selbstgekelterten Wein, Käse und speziell für uns geräucherte Makrele und in Essig eingelegten Haddock (Schellfisch).
Wir mieten Fahrräder und strampeln auf und ab durch die Gegend. Die Sättel lassen zu wünschen übrig, unsere Allerwehrtesten schmerzen schon nach kurzer Zeit. Anna und Reinhard von der SANCARA sind nun auch angekommen und lassen sich von uns überreden, ihre Hintern auch zu schänden.
Über den schönen Tagen in Shelburne hängt ein Damokles Schwert. Vor der Küste North Carolinas hat sich der Hurrikan CHRIS gebildet und zieht hoch nach Nova Scotia. Glücklicherweise ist die Ostküste so zerklüftet, dass wir fast überall guten Schutz finden können. Wir beobachten ihn und ziehen weiter.
Im Nebel verlassen wir Shelburne. Im Laufe des Tages klart es auf und wir ankern bei Sonnenschein in Port Mouton. Der Badewannenfisch zeigt 7°C, wir glauben ihm. Zudem treiben fette Quallen mit langen Tentakel an unserem Schiff vorbei. Es dauert nicht lange und der Nebel ist zurück. Er ist auch am nächsten Morgen noch da und verlässt uns erst wieder am Abend in der Einfahrt des La Have Rivers. CHRIS zieht weit draussen im Atlantik an uns vorbei und schwächt sich im kalten Wasser zum Sturm ab. Das einzige was wir von ihm bemerken, ist der Schwell in der Einfahrt nach Halifax.
Unterwegs sehen wir immer wieder Seehunde, grosse Mondfische, Grindwale, Zwergwale und unsere ersten Papageientaucher.
Halifax hat alles was ein Seglerherz begehrt: geschützter Ankerplatz, Shipchandler (neue Badeleiter), Supermarkt und schnell anbeissende Fische (Pollack). Thomas fängt sie im Sekundentakt. Es gibt Fischchowder und Fischklösse hausgemacht.
Die Stadt hat viele Grünflächen, schöne und grosse Häuser und eine lebendige Wasserfront mit Cafés, Strassenmusiker und Artisten.
Die Halifaxer sind entspannt und freundlich. Uns fällt speziell auf, dass Fussgänger absoluten Vortritt haben und sich jeder daran hält, auch die Velofahrer.
Wir besuchen das Schiffahrtsmuseum mit der Titanic Ausstellung.
Neu für uns:
- Die geborgenen Toten der Titanic wurden alle nach Halifax gebracht und dort begraben.
- 1917 kollidierte der französischer Munitionsfrachter Mont Blanc mit dem norwegischen Versorgungsschiff Imo. Die dadurch ausgelöste Explosion zerstörte grosse Teile von Halifax, mindestens 2000 Menschen starben, viele weitere Tausend wurden verletzt. Diese Explosion ist die grösste von Menschen verursachte vor Hiroshima.
- Die Bluenose, ein gaffelgeriggter Schoner, gebaut 1921, Wahrzeichen Nova Scotias, blieb während 17 Jahren Siegerin im Fisherman's Cup, einer Regatta zwischen den Fischern von Lunenburg (Nova Scotia) und Gloucester (Massachusetts). Die Regatta wurde angeblich ins Leben gerufen, als es den Organisatoren des America's Cup zu viel Wind hatte und sie das Rennen ausfallen liessen. Regattierten die Fischer nicht, waren sie draussen vor Neufundland Kabeljau fangen.
Wir segeln bei schönem Wetter zu unserem nächsten Ankerplatz im Jeddore River. Thomas fängt zur Abwechslung Makrelen. Sie werden gebraten.
Am nächsten Tag bleibt uns der Wind treu, doch der Nebel kommt schnell in dichten Schwaden auf. Wir hören die Glocken der Tonnen, ab und zu sehen wir sie auch. Die letzten Meilen nach Marie Joseph segeln wir mit schwachem Wind in der Nebelbrühe zwischen Steinen und kleinen Inseln zu unserem Nachtlager. Es wird so richtig unheimlich. Die Konturen der Inselchen tauchen auf und verschwinden und immer wieder hören wir Gesang und eigenartige Klänge. Gabrielle überlegt sich schon Thomas am Mast festzubinden. Wir können uns sehr gut die Ängste der Seeleute in alten Zeiten vorstellen.
In Halifax haben wir uns eine Packung schweizer Fondue gekauft, das passt nun bestens bei diesem Wetter. Dem Rauchmelder gefallen die Käsedämpfe nicht so sehr, er geht los. Da hilft nur eines: Batterien raus und weiter essen.
Von dieser Bucht sehen wir gar nichts.
Am nächsten Morgen ist der Nebel immer noch da. Dann kommt Regen dazu. Wir segeln trotzdem die 13 Seemeilen in den Liscomb River, wo GRACE schon mit einer tollen Überraschung auf uns wartet. Sie nehmen uns mit ihrem Dinghy hoch zur Liscomb Lodge, wo jeder, der mit einem Schiff ankommt, den Fitnessbereich mit Sauna, Swimming- und Whirlpool gratis benützen darf. Wir sind so sauber wie schon lange nicht mehr. Das Hotel bietet noch mehr für uns. Wir können unsere Wäsche waschen, Diesel und Wasser gibt es auch.
Mit Helen und Dave machen wir eine richtige Wanderung, auf richtigen Wanderwegen, in einem richtigen Wald dem Liscomb River entlang und es macht richtig Spass. GRACE zieht weiter, wir baden nochmals.
Eigentlich wollen wir so rasch wie möglich in den Lac Bras d'or auf Cape Breton, um dann langsam gegen die vorherrschenden Südwinde in Tagesetappen zurück nach Shelburne zu segeln. Das Wetter wechselt hier im Norden so schnell, deshalb stoppen wir häufiger als geplant. Am Samstag, 21. Juli, bleiben wir den ganzen Tag am Anker bei Betsy Point, 20 Seemeilen südlich vom Eingang in den Bras d'or lake, denn es regnet, stürmt und der Nebel ist auch da.
Am Sonntag scheint die Sonne für ein paar Stunden, es hat Wind, wir segeln. Bald schon holen uns Nebel und Regen ein. Pflotschnass passieren wir die Schleuse von St. Peter's in den Lac Bras d'or.
Freude herrscht. Das Wasser ist 20°C warm, die Sonne kommt mit Wucht hervor und SANCARA lädt uns zu einem feinen Nachtessen ein.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas