Appalachian Trail
Im Autoland gibt es mehrere wirklich lange Wanderwege. Einer davon ist der Appalachian Trail. Er geht vom Springer Mountain im Süden Georgias 2200 Meilen (3500km) hoch bis in den Norden nach Maine, zum Mt. Katahdin. Die ganze Strecke durch die Appalachen ist für uns zu viel, doch der letzte Abschnitt, die Hundred Wild Miles, reizen uns schon lange.
Mit dem Mietauto fahren wir nach Leverett in Massachusetts und überfallen Evi und Mike. Mike ist in Monson in Maine aufgewachsen, kennt die Gegend und den Trail. Er skizziert das Höhenprofil und eine Übersicht. Er empfiehlt uns von Norden nach Süden zu wandern.
Auf Islesboro, einer kleinen Insel im Osten von Maine, erwarten uns Shar und George. Wir haben sie letzten Winter in den Bahamas kennengelernt. Shar ist die hundert Meilen schon gewandert, von Norden nach Süden, und George hat sich anerboten uns zum Appalachian Trail zu fahren. Wir erhalten eine Inselrundfahrt, viele Tips zur Wanderung, Blasenpflaster und Sailor's Eye zum Frühstück. Diese Spiegeleivariante kennen wir noch nicht. Aus einer Brotscheibe wird in der Mitte ein Stück rausgeschnitten und das Brot in der Pfanne getoastet. Das Ei wird in das Loch des Brotes in die Pfanne gehauen.
Wir packen unsere Rucksäcke, die sind ganz schön schwer. Da ist ja auch die ganze Ausrüstung und Essen für zwölf Tage drin.
Am Freitag, 12. Juli fahren wir mit zwei Autos vier Stunden nach Monson, wo wir unser Mietauto lassen. Es regnet in Strömen. Wir essen Burgers mit viel Fleisch zu Mittag, bevor uns Shar und George nach drei weiteren Autostunden im Katahdin Stream Campground im Baxter State Park absetzen. Die beiden nehmen ein Motel und wandern auch ein wenig am Wochenende, denn zurück nach Hause kommen sie heute nicht mehr. Die letzte Fähre nach Islesboro fährt um fünf Uhr nachmittags.
In einer Regenpause stellen wir unser Zelt auf, kochen auf dem Feuer, hängen alle Lebensmittel bärensicher auf. Es regnet die ganze Nacht, doch am Morgen scheint die Sonne.
Mount Katahdin ist der höchste Berg in Maine (1600müM). Oberhalb der Waldgrenze steigen wir über Felsbrocken, Geröll und Schotter den Abol Trail zum Baxter Peak hoch und klettern über Schotter, Geröll und Felsbrocken den Hunt Trail runder zum Zeltplatz. Bergab ist einiges mühsamer als bergauf. Mt. Katahdin ist der Höhepunkt für viele Appalachian Trail Wanderer. Wir fangen mit dem Dessert an und haben schon zwölf Meilen in den Knochen, bevor es für uns richtig losgeht. Abends baden wir im eiskalten Katahdin Stream vor unserem Zelt. Thomas hat schon die ersten Blasen an den Füssen und Gabrielle einige Black Flies Stiche am Haaransatz im Nacken.
Vollbeladen starten wir am Sonntag Morgen. Zelt, Matten, Schlafsäcke, Kleider, Regenschutz, Pfanne, Becher, Messer, Kombibesteck, Trinkwasserfilter, Reis, Spaghetti, Haferflocken, etwas Olivenöl, Trockenfrüchte und Nüsse, Milchpulver, Eierpulver, Salz, Bouillon, getrocknete Tomaten, getrocknete Pilze (Fehler), Kaffee, Zucker und natürlich Ovomaltine wollen alle nicht selber gehen, also tragen wir sie. Trotz Hüftgurt zieht das Gewicht an den Schultern.
Zum Glück ist der Weg zu Beginn einigermassen flach, jedoch wandern wir durch Sumpfgebiet. Sofort werden wir von Black Flies, Deer Flies, Moose Flies, Green Heads und Moskitos attackiert. Schnell ziehen wir die Kopfnetze über. Das Autan wirkt kaum, wir brauchen DEET.
Nach zehn Meilen erreichen wir die Abol Bridge. Hier enden die hundert wilden Meilen für die Northbounders (NoBo) oder fangen für uns Southbounders (SoBo) offiziell an. Nun gibt es für uns keine Einkaufsmöglichkeit mehr. Doch ganz so wild ist es nicht. Der Maine Appalachian Trail Club unterhält und markiert die Wege, baut Brücken, Stege, Unterstände (Lean To) und Plumpsklos (Privy).
1. Abend: Wir stellen unser Zelt beim Hurd Brook Lean To auf.
Wir sind nicht die einzigen, doch die einzigen, die im Bach baden, frische Kleider anziehen, ein Feuer machen und richtig kochen. Um Gewicht zu sparen, erhitzen alle anderen auf kleinen Gaskochern Wasser und giessen es über die gefriergetrocknete Fertignahrung. Wir treffen ein Paar, das kulinarisch noch tiefer gesunken ist. Es weicht Ramen Nudeln für zehn Minuten im kalten Wasser ein, danach sollen diese essbar sein. Der Kocher wird so auch eingespart.
Für uns gibt es täglich frische Pilze (Hexen- und Maronenröhrlinge, Butterpilze und Pfifferlinge) mit Reis oder Spaghetti. Wir kochen jeweils eine Pfanne voll. Die eine Hälfte ist unser Nachtessen, die andere unser Frühstück. Auch am Morgen entfachen wir ein kleines Feuer und brühen richtigen Kaffee auf. Mittags essen wir Haferflocken mit Trockenfrüchten, Nüssen und Ovo.
2. Abend: Ganz alleine am Rainbow Stream waschen wir unsere Kleider. Das Trinkwasser holen wir aus Bächen, Flüssen und Seen. Wir pressen es durch einen kleinen Sawyer Filter, der auf fast jede Plastikflasche aufgeschraubt werden kann.
Am Morgen geht es die Hügel hoch. Wir schwitzen beim Aufstieg, sehen die erste Strumpfbandnatter (Gartersnake) und schwimmen im Nahmakantasee.
3. Abend: Das Zelt steht schon am Nahmakanta Stream, als der Regen einsetzt. Unter den Bäumen sind wir etwas geschützt und Birkenrinde ist ein guter Feuerstarter. Wie immer hängen wir nach dem Essen unsere Lebensmittel bärensicher auf und gehen früh schlafen.
Wir legen am folgenden Tag richtig los, das Gelände erlaubt uns einen 16-Meilen Schlag. Die Schlaufen der Stöcke kommen nicht mehr ums Handgelenk, damit die Hände frei sind, wenn wir ausrutschen oder ein tiefhängender Ast uns aus dem Gleichgewicht bringt.
4. Abend: Im Bassin unter den Cooper Brook Falls soll es Blutegel haben. Deshalb legen wir uns etwas unterhalb ins Wasser, wo die Strömung stärker ist. Wir essen Spaghetti mit Pfifferlingen. Immer wieder sehen wir Elchspuren, doch vom Elch keine Spur. Anscheinend mögen die Tiere den Trail. Die Bullen kommen mit ihrem Geweih auf dem Weg leichter voran, als im dichten Unterholz.
5. Abend: Logan Brook. Der Bach ist kalt, die Nacht auch. Thomas zieht alle seine Kleider plus den Regenschutz an. Wie immer stehen wir früh auf, brauchen eineinhalb Stunden fürs Frühstück und fürs Packen. Vor sieben Uhr sind wir auf der Piste. Heute haben wir keine Mücken und tragen kein Kopfnetz. Wir befinden uns im „Gebirge“, ab jetzt wird es richtig steil und steinig. Wir sind froh, schon einen grossen Teil unseres Proviants vertilgt zu haben. Über den White Cap Mountain, Hay Mountain, West Peak und Gulf Hagas Mountain gelangen wir zum West Branch Pleasant River. Wir müssen unsere Schuhe ausziehen und fünfzig Meter waten.
6. Abend: Der East Chairback Pond ist unsere Belohnung nach diesem anstrengenden Tag. Abgesehen von einigen Mücken sind wir ganz alleine an diesem idyllischen Ort. Der Juli ist ein guter Monat für diese Wanderung. Die Tage sind lang und warm. All die northbound throughhikers, es sollen über tausend sein, sind erst in Massachusetts oder New Hampshire und die summer camp kids kommen erst im August.
Um Gewicht zu sparen füllen wir morgens nicht alle Trinkflaschen, da wir unterwegs stets Wasser finden, ausser heute. Es geht steil hoch oder steil runter über Felsen, Geröll und Wurzeln. Wir finden kein Wasser. Unsere Königsetappe, wir schaffen nur elf Meilen, führt über den Chairback Mountain, Columbus Mountain, Third Mountain, Fourth Mountain, hoch zum Barren Mountain und runter zum
7. Abend: Cloud Pond Lean To. Wir sind durstig und alle guten Zeltplätze sind belegt. Wir liegen am Hang, schlafen schlecht, doch der schwierigste Teil liegt hinter uns. Der nächste Morgen bringt starken Regen. Trotz Regenponcho werden wir pflotschnass, inklusive Schuhe und Socken. Da wir unsere Füsse jeden Abend mit Vaseline eincremen, macht es ihnen nichts aus. Alle unsere Sachen im Rucksack sind in Plastiksäcken geschützt und bleiben trocken.
Wir sehen eine Biberfamilie beim Mittagessen. Gar nicht scheu schwimmen die Tiere im Beaver Pond und knabbern die Rinde von Ästen.
8. Abend: Wilson Stream. An unserem letzten Abend in der Wildnis sind wir wieder ganz alleine. Das Gelände ist einfacher, wir kommen gut voran. Noch vor dem Mittag erreichen wir den Parkplatz am Highway 15. Hier enden die hundert wilden Meilen, doch wir haben noch weitere sechs Meilen zu unserem Auto in der Nähe von Monson vor uns. Wir geniessen das Auslaufen, es ist wie Abschied nehmen von der Wanderung. Zwei NoBos, Cris und Bob, watscheln müde am Strassenrand. Die letzten zwei Meilen zu Shaw's Hiker Hostel dürfen sie mit uns im Auto fahren.
9. Abend: Monson. Wir gönnen uns ein Zimmer im Hostel, eine richtige Dusche und Pizza von der Tankstelle mit Bier. Inklusive Mount Katahdin sind wir 134 Meilen (215 km) gewandert und brauchten dafür zehn Tage. Wir hatten Wetterglück. In Monson ist es kühl und es regnet.
Auf dem Weg zu den Niagara Fällen entspannen wir zwei Tage bei Evi und Mike. Unseren Seebeinen geht es erstaunlich gut, die Füsse brauchen mehr Erholung. Wir nehmen die Waschmaschine in Beschlag, doch der Feuerrauchgeschmack verschwindet nicht vollständig aus den Kleidern.
Am zweiten Abend knallt ein junger Betrunkener mit seinem Auto in den Telefon- und Strommast vor dem Haus. Wir rennen raus und erwarten Schlimmes. Das Auto ist Schrott, der Mast geknickt, Kabel hängen runter, doch Airbag und Gurt haben den Fahrer geschützt. Wir rufen 911. Der Fahrer verlässt den Unfallort zu Fuss. Dumm, so ist seine Chance auf Gefängnis gross. Wir schlafen schlecht, weil ein Team die ganze Nacht braucht um einen neuen Mast einzusetzen.
Beim Grenzübertritt nach Kanada fragt uns der Zöllner, wie er die vielen Stempel in den Pässen sieht, ob wir Geschäfte in den USA tätigen. Als er hört, dass wir mit dem Segelschiff unterwegs sind, löchert er uns mit Fragen. Die Autoschlange hinter uns wird länger, das ist ihm egal.
In Kanada ist der Ausblick auf die Niagara Fälle eindrücklicher als von den USA aus, zudem sind die Motels günstiger. Das Essen ist hingegen gleich schlecht.
Die riesigen Wassermassen vom Eriesee stürzen über die Niagara Fälle (American Falls und Canadian Horseshoe Falls), tosen als Wildwasser der Stufe sechs durch die Schlucht entlang des White Water Walk's und fliessen weiter in den Ontariosee.
Auf der Rückfahrt zur Maselle, eine gute Autostunde von Columbia entfernt, verliert ein entgegenkommender Pickup (die Amis sagen Truck) einen Teil seiner Ladung. Heuballen fallen genau vor unser Auto. Trotz Vollbremsung holpern wir über den ersten, verlieren die innere Radabdeckung, der zweite klemmt sich zwischen die Vorderräder. Der Truck fährt weiter. Es riecht verbrannt, rasch setzen wir das Auto zurück, sonst hätte der angesengte Heuballen sich ganz entzündet und das Auto wäre in Flammen aufgegangen. Wir rufen 911. Zuerst kommt Frau Sheriff, dann Herr Sheriff, dann ein State Trooper, darauf nochmals ein State Trooper. Viel Blaulicht um uns, nach zwei Stunden sind alle Formulare ausgefüllt und wir können weiter fahren. Der Schaden ist nicht zu gross und wir sind glücklicherweise versichert. Wir geben das Mietauto in Norfolk ab und Matt fährt uns nach Columbia.
Autolos in der ÖV-freien Pampa wäre ein Problem, könnten wir nicht zwei Fahrräder von der Marina ausleihen. Wir dürfen das Haus von Luitgard und Wolfgang hüten. Jeden Morgen radeln wir mit unseren Rosthaufen, bei denen nur ein Gang funktioniert, 10km zur Maselle, erledigen notwendige Wartungsarbeiten, und pedalen abends wieder zurück. Wir geniessen den Luxus einer grossen Wohnung. Es hat genug Platz um Genua, Sprayhood und Bimini auszubreiten, und mit unserer neuen Nähmaschine verstärken wir Nähte und flicken schadhafte Stellen. Nachts ist es so heiss und schwül, dass wir gerne in einem Haus mit Klimaanlage schlafen. Zudem kommen die Mücken mit der Dämmerung.
Brauchen wir Internet, können wir zu unseren Nachbarn Jennifer und Ronny. Ihre Haustüre steht immer offen. Bei Bedarf chauffiert uns Ronny gerne mit seinem Truck, wo immer wir hinwollen. Wenn es regnet, holt er uns ab. Wir müssen ihn nicht mal anrufen, er steht einfach da und hat die Fahrräder schon aufgeladen.
Anna und Reinhard machen mit ihrer SANCARA auf dem Weg in die Buzzards Bay extra einen Umweg um uns in Columbia zu treffen. Sie ankern vor der Marina. Wir leihen ihnen die Fahrräder aus, so können sie einkaufen. Abends sitzen wir bei ihnen im Cockpit. Während der Fahrt zu uns wurden sie von Bremsen und beissenden Fliegen geplagt. Die fehlen hier in Columbia, dafür erscheinen tausende kleiner Mücken, vom Licht angezogen. Das gäbe einen guten Insektenburger, doch Anna serviert uns Nudeln mit Tomatensauce.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas
P.S. Der nächste Blog wird nicht vor Oktober erscheinen. Den Grund verraten wir nicht, doch ihr könnt auf der Seite Wo sind wir/find us herausfinden wieso.
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