GREY GOOSE
Zurück von Tahiti bleiben wir nur zwei Tage in Columbia NC, packen um und fahren gleich weiter nach Great Bridge zu Luitgard und Wolfgang. Wir helfen ihnen ihren Trawler GREY GOOSE, eine Nordhavn 50, nach Florida zu bringen. Wolfgang nimmt seinen Freund Bernd mit, Luitgard kommt nicht mit und geniesst ihre freie Zeit. Die hat sie auch nötig, denn sie hat für unsere Reise viel vorgekocht.
Drei Tage bis Beaufort sind wir auf dem Intracoastal Waterway. Unterwegs überholen wir JENNY und plaudern mit unseren Freunden Alex und Dick über Funk.
Zwei Tage sind wir draussen auf See. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 8.5 Knoten sind wir schnell unterwegs. Obwohl wir das beste Wetterfenster erwischen und obwohl die GREY GOOSE Stabilisatoren hat, rollt sie auf dem Atlantik. Bernd wird seekrank und liegt flach. So übernimmt Wolgang die ersten drei Stunden der Nachtwache und wir zwei die folgenden acht Stunden.
In Jacksonville kehren wir zu Bernds Freude zurück auf den ICW. Es herrscht die klassische Rollenverteilung an Bord, Thomas ist Captain, Gabrielle steht in der Küche. Dennoch ist dieser Motorboot Trip eine interessante Abwechslung für uns beide.
In Palm Coast verlässt uns Bernd, er hat Frau und Wohnung hier. Wir legen noch einen dreistündigen Tankstopp ein (900$), dann fahren wir mit Wolfgang im Mietauto zurück in den Norden.
Amerikanische Gastfreundschaft
Jennifer und Ronnie haben uns schon im Sommer ein Zimmer in ihrem Haus angeboten. Nun ziehen wir bei ihnen ein, denn die Nächte werden kalt. Tagsüber arbeiten wir auf Maselle. Während Thomas Maststufen montiert, näht Gabrielle u.a. Fensterabdeckungen und Flicken auf die Polster. Gemeinsam ziehen wir ein zweites Antennenkabel in den Mast ein und installieren einen AIS Transciever. Jetzt sehen wir nicht nur andere Schiffe auf dem Kartenplotter, sondern werden auch von diesen gesehen.
Mit Ronnie zusammen konstruieren wir eine stabile Ankerwinsch-Plattform. In seiner bestens ausgerüsteten Werkstatt sägt, bohrt und schraubt er, wir bauen ein. Denn als wir in den Bahamas strandeten, riss unsere alte Plattform aus. Uns ist nun auch klar, wie es zu diesere Strandung kam. Wir haben die alte Ankerwinsch zur Servicestelle eingeschickt und erhielten Bericht, dass sie unreparierbar verklemmt (jammed) sei und ersetzt werden müsse. Kein Wunder bekamen wir damals den Anker nicht hoch. Glück im Unglück, es ist ein Garantiefall, wir bekommen eine wirklich neue Winsch zugeschickt. Marine Liquidators in Fort Pierce FL, wo wir diese gekauft haben, möchten wir nicht weiterempfehlen, sie verkaufen Altes als neu. Auch ein Relais für die Ankerwinsch-Steuerung mussten wir damals zurückgeben und austauschen, weil es nicht funktionierte.
Ronnie holt uns jeden Abend ab und bringt uns jeden Morgen zurück in die Marina. Brauchen wir was, fährt uns Ronnie. Jennifer bekocht uns und gibt uns Lunch mit. Ihre Favoriten sind Shrimps und Chicken. Wir haben es gemütlich, schauen viel fern, Quizshows und an den Wochenenden Autorennen und American Football.
Ausbruch aus dem Schlammgefägnis
Die Cypress Cove Marina ist eigentlich zu wenig tief für uns. Maselles Kiel steckt schon lange im Schlamm. Bei Ostwind steigt der Wasserspiegel, doch der ist für lange Zeit nicht in Sicht. Dafür jagt eine Kaltfront die nächste.
Am 11.11. sagen wir uns jetzt oder nie und erneuern unsere Versicherung bei Tow Boat US.
Am Dienstag, 12. November, legen wir Leinen über Poller und können uns mit den Genuawinschen langsam aus dem Hafenplatz ziehen. Am Dieselsteg nehmen wir Abschied von Kelly und Ken, den Pächtern der Marina. Steward von Sea Tow, der zufälligerweise mit seinem Schiff vor Ort ist, macht sich schon mal bereit für uns.
Mit Vollgas nehmen wir die Ausfahrt in Angriff, hüpfen zweimal über Untiefen und bleiben dann doch in der Einfahrt stecken. Schnell ist Steward zur Stelle und springt für Tow Boat US ein. Etwa zweihundert Meter zieht er uns durch den Schlamm, bis wir endlich im tiefen Wasser des Scuppernong River sind.
Die Meile bis zum Towndock von Columbia schaffen wir aus eigener Kraft. Wir melden uns gleich im Stadtgebäude und werden sehr freundlich empfangen. Bill heizt für uns das Dusch/WC-Häuschen und Tamy fährt uns zum Supermarket. 48 Stunden darf man gratis am Steg liegen, doch weil sich die Stadt-Angestellten freuen, dass wieder mal ein Schiff in Columbia festmacht, bezahlen wir für die folgenden vier Tage auch nichts.
Starkwind und Regen sind für die nächsten Tage angesagt. Maselle liegt gut geschützt. Wir fahren mit Jennifers Auto zum Lake Gaston und besuchen Matt. Sein Hausboot ist endlich im Wasser und heimelig ausgebaut. Matt arbeitet in der Nähe und wohnt unter der Woche auf seinem Schiff.
Am Samstag, 16. November, sind wir seit langem wieder mal für eine Nacht auf Maselle. Starke Böen pfeifen durch den Kamin und löschen mehrmals das Feuer in unserem Ölofen. Die Nacht ist sehr kalt, die folgende verbringen wir wieder bei Jennifer und Ronnie. Die letzte, jetzt heisst es Abschied nehmen.
Bevor wir am Montagmorgen, 18. November, ablegen, kaufen wir noch rasch beim Eisenwarenhändler im Städtli ein Ofenrohrknie. Das lässt sich über unser Ofenrohr stülpen und löst so ganz einfach das Böenproblem.
Ein kalter Winter in Great Bridge vor zwei Jahren hat uns gereicht. Wir motoren auf dem ICW die uns wohl bekannte Strecke in den Süden nach Beaufort NC, gut eingepackt in mehreren Kleiderschichten.
Der Intracoastal Warerway wurde ursprünglich für Transportschiffe angelegt. Er ist ein System aus Flüssen, Kanälen, Seen und Ästuaren, läuft parallel zum Atlantik, und ist über viele Inlets mit dem Ozean verbunden. Wir treffen auf Ebbe und Flut und Gezeitenströme.
Mit Maselle sind wir natürlich nicht so rasch unterwegs wie mit GREY GOOSE oder den Katamaranen, doch wir finden, wir sind zu langsam. Haben wir im Schlamm etwas aufgegabelt? Thomas zieht sämtliche vorhandenen Neoprenschichten an und steigt ins kalte Wasser. Alles ok. Das Motorenhandbuch hilft uns weiter, wir stellen das Ventilspiel neu ein. Nun sind wir mit unserem Tempo wieder zufrieden.
Nervenstress
Die Strecke südlich von Beaufort ist Neuland für uns und entpuppt sich als Nervenstress. Der ICW ist oft weniger tief als zweieinhalb Meter, die Gezeitenströme bei den vielen Inlets verändern die Fahrrinne ständig, Sandbänke verschieben sich. Die Schäden des diesjährigen Hurrikans Dorian sind noch nicht vollständig beseitigt. Obwohl wir das Echolot ständig im Auge haben und genau darauf achten im betonnten Fahrwasser zu bleiben, sitzen wir dreimal auf, können uns zum Glück aus eigener Kraft befreien. Die Seekarten sind aufgrund der ständigen Veränderungen nicht zuverlässig. Wir hören über Funk, wie mehrere Schiffe freigeschleppt werden müssen. Am einfachsten ist es, wenn wir einem Schiff mit ähnlichem Tiefgang folgen, wir nehmen dann die gleiche Route, oder eben nicht. Manchmal entscheidet ein Meter über Tow Boat US.
Im Little River und im Waccamaw River können wir entspannt die Landschaft geniessen, das Wasser ist immer tief genug.
Telefonstress
Zwei Tage lang telefonieren wir uns die Finger wund. Wir suchen eine Marina, wo wir Maselle eine Weile lassen können, denn die nächste Überführung wartet auf uns. Für eine oder zwei Nächte könnten wir fast überall bleiben, aber nicht für länger. Zum Tanken fahren wir an den Dieselsteg der Bucksport Marina bei Conway SC. Der Diesel ist ihnen gestern ausgegangen, dafür haben sie Platz für uns. Im Naturschutzgebiet, umgeben von Wasser und Wald, ist es hier fast so schön wie vor Anker.
Liebe Grüsse von der Maselle
Gabrielle und Thomas
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